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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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ernsten Gefühle wohl nicht genügend verborgen zu haben. Und wenn er sich nur durch irgendeinen Blick oder eine Geste verraten haben sollte, was mußte die reiche Amerikanerin von ihm, dem armen Teufel, wohl denken!
    Wenn er sich das vorstellte, errötete er vor Scham und gelobte, sich in Zukunft besser in acht zu nehmen, selbst wenn er dadurch die schon gewonnene freundschaftliche Anteilnahme der Mrs. Lindsay wieder verlieren sollte. Das Schicksal hatte jedoch bestimmt, daß seine edelmütige Entschlossenheit erst eine Probe aushalten sollte. Seine Geschichte war da oben geschrieben, und die Kette der Ereignisse machte sie unabwendbar zur Wirklichkeit.
    In dem Augenblicke, wo die Touristen an Bord kamen, waren Thompson und Kapitän Pip in einem lebhaften Gespräch begriffen. Offenbar handelte es sich dabei um eine ernste Angelegenheit. Hochrot und fieberhaft erregt, erging sich Thompson seiner Gewohnheit gemäß in den tollsten Gesten. Der sehr ruhig bleibende Kapitän dagegen antwortete ihm mit kurzen Worten oder nur mit einer energischen Handbewegung, die deutlich erkennen ließ, daß sie das ablehnte, was der Agent zu ihm sagte. Aufmerksam geworden, blieben Mrs. Lindsay und ihr Begleiter wenige Schritte von den beiden Herren stehen. Sie waren übrigens nicht die einzigen, die sich für diese Debatte interessierten. Auf dem Spardecke hatten sich die andern, schon eher zurückgekommenen Passagiere in drei Reihen zusammengedrängt und verfolgten gespannt den Verlauf des Gespräches.
    Ein Umstand, der die allgemeine Neugierde noch weiter erregte, lag darin, daß aus dem Schornstein der »Seamew« nicht der geringste Rauch hervorwirbelte, nichts schien für die doch auf Mitternacht festgesetzte Abreise vorbereitet zu sein. Man verlor sich in Vermutungen aller Art und wartete voll Ungeduld, daß die Unterredung zwischen dem Kapitän und Thompson ein Ende nehmen sollte, um von dem einen oder dem andern einigen Aufschluß zu erhalten.
    Schon rief die Glocke zum Essen, als das Gespräch noch immer fortdauerte. Schnell nahmen die Passagiere ihre gewohnten Plätze ein. Während der Tafel würde ja das Rätsel gelöst werden.
    Die Mahlzeit nahm jedoch ihren Fortgang und ging zu Ende, ohne daß Thompson sich bemüßigt gefühlt hätte, die Neugierde der Tischgäste zu befriedigen. Diese Neugierde schwächte sich jedoch, momentan durch eine näherliegende Sache verdrängt, schnell etwas ab.
    Die Verpflegung an Bord hatte sich ungemein verschlechtert, und zwar von Tag zu Tag mehr. Dadurch ermutigt, daß er dabei straflos ausging, hatte Thompson offenbar geglaubt, sich rein alles erlauben zu dürfen. Heute überschritt das aber alle Grenzen. Das einer richtigen Sudelküche würdige Diner war noch obendrein unzureichend. Der Appetit der Tischgäste war kaum erwacht, als schon der Nachtisch aufgetragen wurde.
    Alle sahen einander und dann Thompson an, der sich ganz behaglich zu fühlen schien. Noch hatte niemand gewagt, sich zu beklagen, als Saunders seiner Gewohnheit gemäß gleich mit der Tür ins Haus fiel.
    »Steward! rief er mit rauher Stimme.
    – Mein Herr…? antwortete Mister Roastbeaf herzueilend.
    – Steward, ich möchte noch etwas von dem abscheulichen Hühnchen haben. Wenn man’s richtig bedenkt, ist es immer besser, durch Gift als durch Hunger zu sterben.«
    Mr. Roastbeaf schien das attische Salz in dem Scherze nicht zu verstehen.
    »Davon ist nichts mehr übrig, mein Herr, antwortete er ruhig.
    – Desto besser, rief Saunders, dann bringen Sie mir etwas andres, schlechter kann das ja doch nicht sein.
    – Was andres, mein Herr! fuhr Mr. Roastbeaf vor Erstaunen auf. Sie wissen wohl nicht, daß an Bord nicht mehr so viel vorhanden ist, einen hohlen Zahn damit zu füllen. Die Herren Passagiere haben sogar nichts für das Küchenpersonal übrig gelassen.«
    Mit welcher Bitterkeit hatte Roastbeaf diese Worte ausgesprochen.
    »Hören Sie, mein Herr Roastbeaf, Sie wollen wohl gar meiner spotten? fragte Saunders mit drohender Stimme.
    – Ich, mein Herr? stammelte Roastbeaf.
    – Nun ja, was bedeutet dieser Scherz denn sonst? Sind wir hier vielleicht auf dem Floß der Medusa?«
    Roastbeaf breitete, als Zeichen, daß er das nicht wisse, die Arme aus. Seine Geste lehnte jede Verantwortlichkeit ab und wälzte sie vollständig auf Thompson, der sich zerstreut in den Zähnen stocherte. Gereizt durch dieses Benehmen, schlug Saunders auf die Tafel, daß alle Gläser in die Höhe sprangen.
    »Ja, ich rede mit Ihnen, mein Herr,

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