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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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Fremde verblüfft an. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Sabine, die Pflegerin der Baronin. Sie sind vermutlich der Freund von Signorina Elena. Hat sie nicht von mir gesprochen?«
    Als hätte sie ihren Namen gehört, erwachte Elena in diesem Augenblick, setzte sich auf und gähnte. »Sabine... Was machen Sie hier?«
    »Ich bin gekommen, um euch zu sagen, dass die Flucht heute Nacht stattfindet. Hört mir gut zu: Es gibt einen unterirdischen Geheimgang, der unter dem ganzen Schloss hindurchführt und bis zu den Felsen im Westen reicht. Ich
begleite euch dorthin. Anschließend fahrt ihr mit einem Wagen zum Bahnhof von Paderborn und nehmt dort um halb zwei den Zug nach Kassel. Anschließend geht die Reise mit dem Zug weiter nach München und dann nach Bozen, wo euch jemand in Empfang nimmt.«
    »Wer?«, fragte Elena.
    »Ich weiß nur, dass es ein Mann ist und dass ihr ihm vertrauen könnt. Er bringt euch an einen sicheren Ort. Ich hole euch um Mitternacht ab; haltet euch bereit. Alles klar?«
    Elena und Nicholas nickten.
    »Also gut, bis später. Oh, fast hätte ich es vergessen: Die Baronin wünscht euch eine gute Reise.« Sabine lächelte und verschwand in dem Geheimgang.
     
    Sie versuchten zu schlafen, aber die Aufregung war zu groß. Die Zeit schien langsamer zu vergehen als sonst – sie konnten es gar nicht abwarten, bis es endlich Mitternacht wurde.
    Als sich Elena und Nicholas dabei ertappten, gleichzeitig auf die Uhr zu schauen, lachten sie nervös. Elena stand auf, um sich die Beine zu vertreten. Sie ging zum Fenster, aber Dunkelheit und Nebel hinderten sie daran, jenseits des Lichtscheins der Laternen irgendetwas zu erkennen. »Ich hoffe, es ist nicht weit bis nach Paderborn«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Der Nebel ist sehr dicht.«
    »Wir erreichen den Zug, verlass dich drauf«, erwiderte Nicholas. »He, du zitterst ja... Was ist los?«
    »Nichts weiter. Das heißt... Nachdem ich gesehen habe, was sie in dem Laboratorium machen, widert mich
dieser Ort noch mehr an als vorher. Ich wäre fähig, das Kreuz zu zerstören, statt es in die Hände dieser Fanatiker fallen zu lassen.«
    »Beruhige dich. Morgen um diese Zeit sind wir in Sicherheit.«
    In stiller Umarmung saßen sie da, bis sie hörten, wie die Uhr Mitternacht schlug.
    »Es ist so weit«, sagte Elena und löste sich von Nicholas. »Gleich kommt Sabine. Im Schrank hängen zwei dicke Jacken. Bitte hol sie.«
    Als Nicholas den Schrank öffnete, schwang mit einem leisen Quietschen die Tür des Geheimgangs auf, und Sabine erschien mit einer Taschenlampe in der Hand. »Ihr seid bereit, wie ich sehe. Kommt.«
    Elena und Nicholas zogen die Jacken an und folgten Sabine in den feuchtkalten Gang. Hinter ihnen schloss sich die getarnte Tür.
    Sabine ging voraus und leuchtete mit der Taschenlampe. Es dauerte nicht lange, bis es recht steil nach unten ging, und schließlich erreichten sie eine steinerne Treppe, die schier endlos in die Tiefe zu führen schien. Elena dachte an die Gelegenheit zurück, als sie sich in Ägypten in ein gerade entdecktes Grab gewagt hatte. Im damaligen Tunnel war es heiß und staubig gewesen; hier hingegen herrschte Eiseskälte, und Feuchtigkeit machte die Stufen schlüpfrig.
    Plötzlich blieb Sabine stehen. »Ich glaube, ich habe fließendes Wasser gehört... Was meint ihr?«
    Tatsächlich: Ein Rauschen kam aus der Ferne.
    »Ein Bach ist in der Nähe«, sagte Sabine. »Vielleicht hat ihn der Regen der letzten Tage über die Ufer treten
lassen. Dadurch könnte der untere Teil des Gangs überflutet worden sein.«
    »Wie kommen wir dann weiter?«, fragte Nicholas.
    »Vielleicht steht das Wasser nicht so hoch. Wir müssen nur vorsichtig sein. Bleibt hier, während ich mir die Sache ansehe.«
    Sabine ging fort und ließ Elena und Nicholas in völliger Dunkelheit zurück. Sie hielten sich an den Händen, und ihnen ging der gleiche Gedanke durch den Kopf: Was würde geschehen, wenn sie den Zug nicht erreichten?
    Dann erschien ein Licht in der Finsternis, und Sabines Stimme erklang. »Kommt. Der Tunnel ist tatsächlich überflutet, aber begehbar. Das Wasser steht höchstens zwanzig Zentimeter hoch. Passt bei der letzten Stufe auf.«
    Sie platschten durch das Wasser und erreichten kurze Zeit später das Ende des Tunnels. Anschließend folgten sie dem Verlauf eines leicht ansteigenden kurvenreichen Weges, der zu einer kleinen Steinbrücke führte, die so alt wie das Schloss zu sein schien und einige hundert Meter bergauf über den Bach führte.

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