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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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»Um Himmels willen, sag ihm alles!«
    »Ich weiß nichts!«, stieß der Fischer hervor und weinte. »Ich weiß wirklich nichts, das schwöre ich Euch!«
    »Wenn du nicht redest, bringe ich deine Familie um, direkt vor deinen Augen.«
    Antonio zweifelte nicht eine Sekunde daran, dass der Mann es ernst meinte, aber er wusste nichts und konnte daher auch nichts verraten. Er verfluchte den Tag, an dem er das Kreuz gefunden hatte. »Ihr verlangt Unmögliches von mir«, murmelte er und begriff, dass er damit das Todesurteil für seine Familie sprach.
    Der Anführer winkte, und einer der Söldner packte Antonios Frau und schnitt ihr die Kehle durch. Andere Männer ergriffen die beiden Söhne des Fischers und zogen ihre Schwerter. Der Anführer richtete einen erwartungsvollen Blick auf Antonio.
    Kurze Stille folgte, und dann erklangen Schreie und das Röcheln zweier Sterbender.
    Die Schreie dauerten an, als der Anführer befahl, Antonio neben den Priester an den Pfahl zu binden. Er folterte ihn lange Zeit und wurde dabei immer wütender angesichts der Hartnäckigkeit, mit der der Fischer sein Geheimnis hütete. Schließlich sah er die Sinnlosigkeit seiner Bemühungen ein und durchschnitt sowohl Antonio als auch dem Priester die Kehle. Er ließ sie langsam sterben, während die Söldner im Dorf ausschwärmten und in den Hütten und Häusern alles auf den Kopf stellten.

    Doch die Suche blieb ohne Ergebnis. Enttäuscht und zornig brachten die Söldner die wenigen noch lebenden Männern um und steckten alles in Brand.
    Das Dorf brannte lichterloh, als sie es verließen.

Edinburgh, 11. Oktober 2006
    Es regnete in Strömen, als Nicholas den Wagen vor dem alten Gebäude mit Waltons Praxis parkte. Die Sitzung, bei der Elena als Gast zugegen gewesen war, hatte an einem anderen Ort stattgefunden. Hier empfing der Professor seine Patienten. Zwar gab es eine lange Warteliste, aber Walton hatte an diesem Nachmittag alle Termine abgesagt, um für Elena Platz zu schaffen. Nicholas sollte bei dem Experiment als Assistent fungieren.
    »Willst du dich wirklich darauf einlassen?«, fragte Nicholas zum wiederholten Mal, nachdem er den Motor abgestellt hatte. Regenwasser strömte über die Windschutzscheibe.
    Elena zog sich die Kapuze der dicken Jacke über den Kopf und lächelte. »Inzwischen haben wir oft genug darüber gesprochen, findest du nicht?«, erwiderte sie, öffnete die Tür und stieg aus. Durch eine wahre Sintflut eilte sie zum Hauseingang, wo Nicholas zu ihr aufschloss und ihren Arm nahm. Seite an Seite gingen sie zur Treppe.
    »Bist du nicht ein bisschen nervös?«
    »Natürlich bin ich das«, antwortete Elena und strich sich das Haar aus der Stirn. »Aber ich bin auch sehr neugierig. Eine völlig neue Erfahrung steht mir bevor.«
    »Ich bin während der ganzen Sitzung dabei und unterbreche sie, sobald etwas Unvorhergesehenes passiert.«

    »Ich weiß.« Elena warf ihm einen Blick zu und lachte. »Entspann dich, Nick. Es wird schon nichts passieren. Wahrscheinlich passiert wirklich überhaupt nichts .«
    Im ersten Stock befanden sich zwei Türen. Nicholas wandte sich der rechten zu und klingelte. Nach einigen Sekunden öffnete sie sich, und eine junge Frau begrüßte Elena und ihn mit einem Lächeln. »Hallo, Nick. Guten Tag, Miss Brandanti. Ich bin Anna, die Sekretärin des Professors. Bitte...« Sie ging beiseite, ließ sie eintreten und schloss die Tür hinter ihnen. »Ich sage dem Professor, dass Sie hier sind«, fügte Anna hinzu und verschwand hinter einer Milchglastür.
    Elena schaute sich um, aber es gab nicht viel zu sehen. Der Raum war schmucklos: zwei alte Stühle, ein Kleiderständer und ein Schirmständer. Die recht kühle Luft roch ein wenig muffig. Als Elena Nicholas’ Blick spürte, schenkte sie ihm ein beruhigendes Lächeln, obwohl die Umgebung vages Unbehagen in ihr weckte.
    Anna kehrte zurück und führte sie durch den Flur zum Arbeitszimmer. Der Professor kam ihnen entgegen, schüttelte ihnen die Hand und forderte sie auf, Platz zu nehmen. Er trug wieder einen Tweedanzug. Das lichte graue Haar war ein wenig zerzaust, und die Brille auf der Nasenspitze gab ihm etwas Eulenhaftes. Er bat seine Sekretärin um Tee, den sie schon kurze Zeit später mit einem Servierwagen hereinbrachte, auf dem auch ein Teller mit Gebäck stand. Anna stellte den Wagen so hin, dass sich Nicholas und Elena von ihm bedienen konnten, wechselte einen kurzen Blick mit dem Professor und ging wortlos wieder hinaus.
    Während sie Tee

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