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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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unübertroffen«,
sagte der Sohn des Dogen und nickte. »Wisst Ihr, wie der Händler, von dem Ihr das Kreuz erworben habt, in den Besitz des Objektes gelangt ist?«
    »Ich habe mir nicht die Mühe gemacht, danach zu fragen«, log der Reeder. »Als mein Blick auf das Kreuz fiel, wollte ich es sofort besitzen.«
    »An Eurer Stelle, mein Freund, würde ich es nicht so offen herzeigen. Fürchtet Ihr nicht, dass jemand es stehlen könnte?«
    »Bevor ich abends zu Bett gehe, lege ich es in meinem Arbeitszimmer in das Geheimfach eines Schränkchens. Dort ist es in Sicherheit.«
    In Ranieris Augen leuchtete Gier. »Darf ich es einen Moment lang halten?«
    »Natürlich«, sagte der Reeder und reichte ihm das Kreuz.
    »Wundervoll«, hauchte Ranieri ergriffen. Er drehte das Kreuz hin und her, sah sich jedes noch so kleine Detail an. »Hier ist eine Art Verschluss«, sagte er plötzlich. »Habt Ihr ihn bemerkt?«
    »Ein Verschluss?« Angelieri riss ihm das Kreuz fast aus der Hand. »Wo?«
    »Hier.« Ranieri deutete auf eine winzige Wölbung am hinteren Teil des Kreuzes. »Vielleicht handelt es sich um einen Mechanismus, mit dem sich das Kreuz öffnen lässt.«
    »Nein, bestimmt ist es nur ein kleiner Defekt, oder vielleicht ein Zeichen, das der Goldschmied hinterlassen hat. Eine Art Signatur.«
    »Könnte sein«, erwiderte Ranieri, aber es klang nicht überzeugt.
    Angelieri legte das Kreuz in die Vitrine zurück und
bat den Sohn des Dogen, ihm ins Nebenzimmer zu folgen. »Kommt. Ich habe besonderen Wein aus Zypern bekommen und möchte Euch ein Glas davon anbieten.«
    Als der Reeder wieder allein war, kehrte er in den Salon zurück und näherte sich der Vitrine. Einige Sekunden lang betrachtete er das Kreuz nachdenklich und nahm es dann in die Hand. Die von Ranieri entdeckte kleine Wölbung hatte ihn sehr überrascht, und er glaubte, dass es tatsächlich ein Verschluss sein könnte. Doch das hatte er dem Sohn des Dogen gegenüber nicht zugegeben, denn wenn es ein Geheimnis gab, wollte er es mit niemandem teilen. Er trug das Kreuz ins Arbeitszimmer, legte es dort auf den Schreibtisch und suchte nach einer Möglichkeit, es zu öffnen. Nach mehreren Versuchen gelang es ihm, den Mechanismus mit der Spitze eines Stiletts auszulösen. Ein kleines Fach öffnete sich. Wieder mithilfe des Stiletts holte Angelieri das darin enthaltene Objekt hervor und griff vorsichtig danach.
    Ein kleines Holzstück, an dem seltsame braune Flecken zu sehen waren.
    Es gab nur eine Erklärung.
    Eine Reliquie!, dachte der Reeder verblüfft. Und sie muss sehr wertvoll sein, wenn man sie in einer so feinen Goldschmiedearbeit untergebracht hat .
    Er lächelte zufrieden. Vielleicht wollte Gott ihn auf diese Weise für die erlittenen Verluste entschädigen.
    Er legte das Holzstück wieder in das Fach zurück, schloss es und brachte das Kreuz zur Vitrine zurück.
    Dort blieb Angelieri eine Zeit lang stehen, bewunderte seinen Schatz und beschloss, sich nie wieder davon zu trennen.

4

Edinburgh, 11. Oktober 2006
    Professor Walton und Nicholas blickten zu Elena, die auf dem Sofa saß und sich dem Fenster zuwandte. Langsam stand sie auf, ging einige Schritte und bückte sich, wie um eine Blume zu pflücken.
    »Beatrice...«, sagte Walton. »Heute ist also der Tag deiner Hochzeit. Kannst du mir das Jahr nennen?«
    Elena zuckte mit den Schultern. »Das Jahr? Keine Ahnung. Jetzt kommen die geladenen Gäste, und ich bin noch nicht fertig!« Sie drehte sich abrupt um, ging in Richtung Servierwagen – den Nicholas rasch beiseiteschob – und blieb vor der Wand stehen. »Es herrscht ein ziemliches Durcheinander im Haus...«, murmelte sie mit einem Lächeln, das etwas Trauriges hatte. »Alle sind aufgeregt wegen der Hochzeit, aber ich... Ich wäre am liebsten ganz woanders.« Sie ballte die Fäuste. »Wenn ich könnte, würde ich mein Hochzeitskleid in Fetzen reißen!«
    Walton beobachtete Elena fasziniert. »Freust du dich nicht zu heiraten?«
    Elena presste die Lippen zusammen und schwieg. All ihre Aufmerksamkeit war auf etwas gerichtet, das eine Dienerin ihr brachte: ihr Hochzeitskleid.
     
    Etwas Schöneres hatte man nie gesehen. Nicht einmal die Prinzessin Sancha d’Aragona, seit kurzem Ehefrau
von Goffredo Borgia, hatte ein so prachtvolles Kleid getragen, geschmückt mit Perlen und Goldstickereien, mit Puffärmeln und zarten Spitzen. Doch im düsteren Blick der Frau, für die das Gewand bestimmt war, zeigte sich nicht eine Spur von Bewunderung – in ihren

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