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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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der Hypnose gesehen hatte – es fehlte nicht einmal die Narbe auf der Wange. Sein Blick schien sie zu durchdringen, und in den Augen erkannte sie die subtile Ironie, an die sie sich erinnerte. Sie kam sich wie belagert vor: Beatrice, Urbano, Jacopo, Porzia – alles Personen, die in diesen Mauern gelebt und Spuren ihrer Präsenz hinterlassen hatten.
    Ihre Unruhe entging Goffredo nicht. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Signorina?«
    »Ja, danke«, antwortete Elena und rang sich ein Lächeln ab. »Ich gehe jetzt frühstücken.« Sie eilte davon. Sie brauchte unbedingt Bewegung, um sich zu beruhigen und um nachzudenken.
    Nach dem Frühstück fragte sie Marta, ob der Reitstall noch existiere. Als Marta das bejahte, sagte Elena, dass sie die gute Gelegenheit nutzen und reiten wolle.
    »Ausgezeichnete Idee«, erwiderte Marta. »Es ist ein schöner Tag, ideal für einen Ritt über das Gut.«
     
    Elena war ziemlich enttäuscht, als der Stallknecht ihr einen Hannoveraner brachte, einen braunen Wallach namens Nebbia, Nebel. Es handelte sich um ein kräftig gebautes Tier, bestens geeignet für einen Spazierritt durch die Landschaft, so ruhig und fügsam, dass selbst ein Kind ihn hätte reiten können. Der Mann konnte natürlich nicht wissen, dass sie zahlreiche Reitwettkämpfe gewonnen hatte und an weitaus temperamentvollere Pferde gewöhnt war. Den Wallach hatte er extra für das »Enkelchen«
des Grafen gewählt, um ganz sicherzugehen, dass es gesund und mit heiler Haut heimkehrte.
    Nach dem Ritt über schattige Waldwege erreichte Elena eine im hellen Sonnenschein liegende Lichtung und führte Nebbia im Schritt zum Ufer eines kleinen Sees. Dort angekommen, zog sie die Zügel an und brachte das Pferd zum Stehen.Von plötzlicher Neugier erfasst, stieg sie ab und folgte zu Fuß dem Verlauf eines Pfades, der im hohen Gras kaum mehr zu sehen war. Es muss Jahre her sein, seit hier zum letzten Mal jemand gewesen ist, dachte sie.
    Plötzlich fand sie sich vor einer verfallenen Kapelle wieder. Es war ein Gebäude aus hellem Stein, das sich keiner bestimmten Epoche zuordnen ließ.
    Elena kramte in ihrem Gedächtnis und fragte sich, ob ihre Mutter oder ihr Großvater jemals diesen Ort erwähnt hatten, aber sie konnte sich nicht erinnern. Doch als sie jetzt dort stand, wo sich einmal der Eingang der Kapelle befunden haben musste, regte sich in ihr das Gefühl, schon einmal hier gewesen zu sein. Zumindest einmal in der Vergangenheit hatte sie diese Schwelle überschritten …
    Schwindel begleitete diese Gewissheit. Elena legte die Hand auf das alte Mauerwerk und spürte eine Art von elektrischem Schlag. Der Schwindel nahm so sehr zu, dass sie die Augen schloss, aber sie öffnete sie sofort wieder, da die Dunkelheit alles noch schlimmer machte. Mit aller Kraft kämpfte sie gegen Unbehagen und Furcht an. Sie betrachtete den See, der hinter den alten Mauern zu sehen war, und fühlte sich von den Spiegelungen des Sonnenlichts auf dem Wasser wie hypnotisiert. Langsam
sanken ihre Lider herab, und das Plätschern des Wassers wurde immer leiser.
    Plötzlich donnerten die Hufe eines galoppierenden Pferdes.
     
    Beatrice war zur Kapelle gekommen, weil sie um Vergebung bitten wollte. Aber ihre Gedanken schweiften ab, und ihre Willenskraft reichte nicht aus, sie daran zu hindern. Sie kniete auf dem Boden, die Stirn auf die gefalteten Hände gestützt, und mit geschlossenen Augen murmelte sie ein Gebet nach dem anderen. Sie dachte an den Mann und die glühende Leidenschaft, die sie mit ihm verband, an seine Küsse, an seine starken Arme, die sie umschlungen hielten. Sie betete, doch ihre Gedanken galten nicht Gott, sondern dem Mann, von dem sie sich hätte trennen sollen, den sie aber mit Leib und Seele begehrte. Ehebruch war eine Todsünde, doch Mord war noch viel schlimmer, und diese Schuld lastete ebenfalls auf ihrem Gewissen. Dennoch war sie erneut dazu bereit. Die Frau hatte den Tod verdient, und Beatrice hatte eine seltsame Freude dabei empfunden, sie langsam und qualvoll sterben zu lassen. Ihr Opfer hatte geschrien, während sie eingemauert wurde. Ihr Schreien und Schluchzen war erst leiser geworden und schließlich ganz verstummt.
    Doch jetzt schienen die Schreie Beatrice zur Kapelle zu verfolgen. Abrupt drehte sie sich um und begriff dann, dass es sich um die Geräusche eines Pferds handelte, das sich im Galopp näherte. Nach einem Moment der Stille schwang die Tür der Kapelle auf, und vor dem hellen Hintergrund zeichnete sich die Gestalt

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