Das Reliquiar
ihre Projekte über den Haufen geworfen habe, doch bestimmt beruhigt sie sich wieder. Aber wenn ich dir als dein Cousin eine persönliche Fragen stellen darf... Ich würde gern wissen, was dir unser Großvater gesagt hat, kurz bevor er...«
»Schluss damit«, rief Elena. »Er hat mir nichts gesagt, das dich, seine erste Frau oder die Tochter betrifft, der er nie begegnet ist. Ihm ging es darum, sich mit mir zu versöhnen, und durch mich auch mit meinem Vater.« Sie stand auf. »Ich möchte jetzt allein sein.«
»Natürlich...«, murmelte Leone und versank fast in seinem Sessel.
Elena zog sich ins Arbeitszimmer zurück, um ihren Zorn abkühlen zu lassen. Sie ärgerte sich dort noch immer über ihre Naivität, als jemand an die Tür klopfte. »Herein.«
Marta kam mit einem Tablett. »Ich bringe dir etwas zu essen«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Danke.«
Sie stellte das Tablett auf den Schreibtisch. »Ist was passiert?«, fragte sie, als sie Elenas finsteres Gesicht bemerkte.
»Es hat eine Klarstellung zwischen Leone und mir gegeben. Du hattest Recht, Marta.« Elena seufzte.
»Ich wusste es! Was für ein Schurke!«
»Er hat mir versichert, dass er das Testament nicht anfechten wird.«
»Und du glaubst ihm?«
»Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.«
»Tut mir leid für dich...« Marta kam näher. »Ich bin gekommen, um dir etwas zu sagen, auch wenn dies vielleicht nicht der richtige Moment ist... Ich mache mir allmählich Sorgen wegen Signor Saverio. Er hat heute Morgen nicht gesagt, wann genau er zurückkehren wird, aber in all den Jahren ist er nie so lange außer Haus gewesen.«
»Hast du seine Handynummer?«
»Ja, sie steht im Verzeichnis.«
Elena blätterte darin, fand die Nummer und wählte sie. Es klingelte dreimal, dann meldete sich die Mailbox. Sie hinterließ eine kurze Nachricht und unterbrach dann die Verbindung. »Hoffen wir, dass er die Mitteilung hört. Ist er mit seinem eigenen Wagen losgefahren?«
»Nein, er hat keinen Führerschein. Eine große Limousine hat ihn abgeholt, ein Mercedes, glaube ich. Ich habe die Zimmer oben aufgeräumt und das Auto durchs Fenster gesehen. Die Scheiben waren getönt, und der Fahrer öffnete die Tür für ihn. Signor Saverio stieg ein, und dann fuhr der Wagen weg.«
»Ist Saverio schon einmal von der Limousine abgeholt worden?«
»Zweimal, soweit ich weiß. Er verließ das Schloss fast nie und scheint weder Familie noch Freunde zu haben. Er lebt ganz für die Arbeit.«
»Ein seltsamer Typ, würde ich sagen«, meinte Elena.
»Auch wir haben ihn immer für einen Kauz gehalten, aber es gibt nichts an ihm auszusetzen. Er ist ernst und reserviert.«
Elena lächelte. »Offenbar ist er ein wenig zu reserviert, wenn er hier jahrelang lebt und mit niemandem Freundschaft schließt.«
»Dein Großvater war mit ihm zufrieden, und das hat uns genügt«, sagte Marta defensiv.
»Ich erlaube mir keineswegs ein Urteil über ihn«, sagte Elena. »Hoffen wir, dass er bald zurückkehrt oder wenigstens von sich hören lässt. Der Notar dürfte in einer halben Stunde hier sein.«
»Möchtest du ihn hier empfangen?«
»Besser in der Bibliothek. Und ich möchte, dass auch ihr zugegen seid. Ihr alle.«
»Wir werden da sein«, versicherte Marta und strich nicht existierende Falten in ihrer makellosen Schürze glatt. »Aber wir würden gern von deinen Absichten erfahren. Welche Pläne hast du? Möchtest du bleiben, oder
hast du vor, das Schloss zu verlassen und nach Rom zurückzukehren?«
»Ich habe noch keine Entscheidung getroffen, aber wahrscheinlich kehre ich nach Rom zurück, sobald hier alles geregelt ist. Was allerdings nicht heißt, dass ich das Schloss dichtmache. Alles geht weiter wie immer, und ich komme so oft wie möglich hierher. Irgendwann lasse ich mich vielleicht sogar dauerhaft im Schloss nieder.«
Martas Erleichterung war offensichtlich. »Kann ich das den anderen sagen?«
»Natürlich. Ah, fast hätte ich es vergessen. Morgen kommt ein Freund von mir aus Schottland. Ich weiß nicht genau, wie lange er bleibt, aber ich schätze, er wird uns eine Weile Gesellschaft leisten. Bitte bereite ein Zimmer für ihn vor.«
»Ein neuer Gast?«
»Ja, in gewisser Weise. Er kommt nicht, um Urlaub zu machen, sondern um mir bei einigen Nachforschungen zu helfen, die Großvater sehr am Herzen lagen.«
»Soll ich das Zimmer neben deinem herrichten?«, fragte Marta. Ihr Tonfall blieb neutral, doch in ihrem Blick lag etwas Schelmisches.
»Zieh keine
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