Das Rennen zum Mars
ins Hab.
Die Schleuse ist gleich hier!
Sie rollte sich zur Seite. Der Rahmen der Schleuse war gut zu sehen. Sie tastete sich unter dem herabsinkenden Kunststoff vor.
Dort. Der Öffnungsmechanismus war einfach – ein Hebel. Sie zog daran.
Das Schott schwang auf, während der Druck im Gewächshaus stetig sank. Das Heulen verhallte, weil die Luft entwich, die den Schall getragen hatte. Ihr wurde die Luft nun auch knapp.
Sie kroch in den kleinen Schleusenbereich. Tastete fahrig nach dem Griff für das äußere Schleusenschott. Fand ihn. Zerrte daran.
Mit der Schulter stieß sie es auf. Vage erinnerte sie sich daran, was man ihr vor einer halben Ewigkeit über Druckabfall erzählt hatte.
Nicht die Luft anhalten.
Sie kam auf die Füße und drückte das Schott ganz auf. Es schien tonnenschwer.
Nun hörte sie gar nichts mehr. Doch das Herz hämmerte so stark, daß das Blut in den Ohren rauschte.
Man muß die Atemwege offenhalten, damit kein Druck sich aufbaut … so viel wußte sie noch. Sie öffnete den Mund, und ein Luftschwall entwich mit solcher Geschwindigkeit, daß sie es rauschen hörte.
Gleißendes Licht hüllte sie ein. Sie blinzelte wieder. Schien Sand in den Augen zu haben.
Die Sonne stand als lodernde Kugel am Horizont. Lanzen aus Licht trafen ihr Gesicht. Volle UV-Dosis. Saukalt.
Mit einer massiven Willensanstrengung rannte sie los. Das Prickeln im Gesicht breitete sich über den ganzen Körper aus, und ein Teil des Bewußtseins versuchte das Phänomen zu ergründen. Egal.
Im grellen Sonnenlicht traten die Konturen der Umgebung scharf hervor, was ihr die Orientierung erleichterte. Nun erkannte sie erst, wie stark die Optik des Mars durch den Helm gefiltert wurde.
Weiter. Die Beine wurden ihr schwer, und in der Kehle staute die Luft sich, die aus der Lunge drängte und als Dampfstrahl ausströmte. Die ausgestoßene Luft kondensierte sofort zu winzigen Kristallen, die im gleißenden Licht funkelten. Über dem zusammenfallenden Gewächshaus stand ein aufsteigender Pilz aus Wasserdampf, der sich in Schnee verwandelte.
Sie hatte noch immer das Gefühl, die Lunge sei mit Luft gefüllt.
Dabei faserten die letzten Luftschwaden gerade unter dem geringen Außendruck aus.
Sie steckte den Kurs ab. Zuerst ums Habitat herum.
Jeder Schritt schien eine Ewigkeit zu dauern.
Die Haut gibt einen recht guten Raumanzug ab , hatte ein Ausbilder einmal gesagt, irgendwo, irgendwann.
Der Druck war auch nicht das Problem. Der hämmernde Kopfschmerz beeinträchtigte zwar das Denkvermögen, doch bewirkte er auch, daß sie den Mund offenhielt. Mach dir die Gasgesetze zunutze.
Nachdem sie zehn Meter gegangen war, waren die Beine völlig taub. Sie stampfte mechanisch mit den Füßen auf den Boden. Während sie das Habitat umrundete, betrachtete sie mit einem Anflug von Neugier die Landschaft.
Die Details waren plastisch und scharf konturiert. Sie atmete noch immer aus. Ein Nebel hing ihr an den Lippen, in dem Eiskristalle schimmerten. Das Gesicht schmerzte. Die Lippen erfroren allmählich.
Ihr gelang ein letztes Blinzeln. Die Augenlider klappten herunter und verharrten in dieser Stellung. Sollte sie etwa blind weiterlaufen?
Stampf, stampf, stampf , ertönte aus der Ferne das Geräusch der Füße.
Was nun …? Halte die Augen geschlossen, damit die Hornhaut nicht erfriert.
Vielleicht frieren die Augenlider an der Hornhaut fest. Schwer, sie dann wieder zu öffnen.
Stampf, stampf.
Das Aufschlagen der Augenlider fiel ihr so schwer, als ob sie Gewichte gestemmt hätte. Irgendwo knirschte Sand in den Augen.
Sie hatte das Habitat fast zur Hälfte umrundet. Nun sah sie auch die Schleuse, die den Horizont ausfüllte wie ein unhaltbares Versprechen.
Sie stakste mit steifen Beinen weiter. Die Luft war aus ihr entwichen und hatte ein Vakuum zurückgelassen. Sie verspürte ein Kratzen im Hals und versuchte, einen letzten Rest von Luft auszustoßen, den ersten Schrei auf dem Mars , doch es kam nichts, rein gar nichts.
Die Schleuse. Sie sah sie auf sich zukommen, schwankend wie ein kleines Kind, das freudig auf sie zulief.
Die Knöpfe zeichneten sich klar und deutlich vor ihr ab, und nun mußte sie nur noch die Arme heben, um den grünen Knopf für die Schleusenöffnung zu drücken. Sie brauchte lang dafür, lang genug jedenfalls, um sich zu fragen, wieso selbst die kleinste Bewegung ihr so schwerfiel.
Die Arme drohten ihr den Dienst zu versagen. Plötzlich verengte das Blickfeld sich zu einem Tunnel aus diffusem Licht, der
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