Das Rennen zum Mars
Hocke und schaute sich um. Das Gestell des Handschuhkastens war mit der Bank verschraubt; unter der Bank sah sie auch nichts. Der Dunst war angenehm warm, trübte aber den Blick.
Sie ging um den Hartplastik-Kasten herum. Mit der rechten Hand wischte sie den Beschlag ab und spähte ins Innere.
Hörte sie da etwa ein leises Pfeifen? »Ist vielleicht ein Mikrometeoriten-Einschlag. Ich versuche, das Leck zu finden …«
Sie erstarrte. Etwas wuchs senkrecht aus dem Boden der Kammer.
Ein fahles Gebilde, geriffelt wie Sellerie. Auf halber Höhe krümmte es sich – in Richtung der Wand des Handschuhkastens. Sie schaute auf die Dichtung zwischen dem Kasten und der Gewächshauswand.
Ein dünner Nebel hing dort in der Luft.
»Es hat den Anschein, als ob eine meiner Proben Amok läuft. Das Mars-Leben hat sich in der Ecke verkeilt, wo der Handschuhkasten…«
Das Pfeifen schwoll plötzlich zu einem Heulen an.
Vor Schreck wäre sie fast umgefallen. Der Wind zerzauste ihr das Haar. Er blies in Richtung der Wand. Die Ohren fielen ihr wieder zu.
»Verdammt! Das Leck wird größer.«
Nun sah sie es. Der Strunk ragte aus der Ecke, wo der Handschuhkasten mit der Wand abschloß. Er bewegte sich eindeutig und versuchte sich irgendwo hindurchzuzwängen.
Etwa in die Spalte?
Sie wollte nicht glauben, daß das Gebilde sich aus eigener Kraft bewegte.
Wieso wächst es auf den Rand zu?
Die Mars-Pflanze hatte den zähen Kunststoff durchbohrt und ragte nun ins Gewächshaus herein. Der Trieb war spitz und ledrig. Er war an der denkbar ungünstigsten Stelle durchgebrochen und war nun gleichzeitig dem Mars-Druck und der Gewächshaus-Atmosphäre ausgesetzt.
Impulsiv griff sie danach. Kalt, feucht, glitschig, zäh. Sie zog daran. Gummiartiger Widerstand.
»Versuche, das Leck zu flicken«, meldete sie.
Aber womit? Die Hand rutschte an der Pflanze ab, und Luft strömte aus. Mit der Hand vermochte sie das Leck jedenfalls nicht abzudichten.
Sie holte tief Luft. Versuchte es zumindest.
Der Zeitablauf verlangsamte sich. Das Blut pulsierte in den Ohren.
Sie ließ den Blick schweifen. Alle Pflanzen im Treibhaus wiegten sich im Wind. Die Ausrüstung …
Sie war auf der anderen Seite des Handschuhkastens. Zumal es ihr wahrscheinlich nicht gelingen würde, mit den Flicken, die sich im Werkzeugkasten befanden, diesen gezackten Riß abzudichten.
Der Wind heulte. Sie schnappte sich eine Probentasche und stopfte sie in die Ecke. Sie blieb stecken, dichtete den Riß aber nicht vollständig ab.
Das reicht nicht.
Sie sprang auf und ging um den Kasten herum. Marcs Stimme drang quäkend aus dem Lautsprecher. Die verdammten Probenbeutel wurden herumgewirbelt. Sie schnappte nach einem, erwischte ihn aber nicht. Die Ohren fielen ihr wieder zu.
Schließlich fing sie einen Beutel ein und ging zum Riß zurück. Sie stolperte über irgend etwas und verlangsamte den Schritt. Streckte den Arm aus, griff zu. Hand auf die Kante des Handschuhkastens.
Stützte sich ab und richtete sich auf. Machte weiter. Irgend etwas berührte sie leicht am Kopf.
Sie schaute auf. Die Decke kam herunter. Kein Druck mehr da, um sie oben zu halten.
Sie duckte sich und kämpfte sich zum Riß vor. Er glich einem aufgerissenen Maul, das Wutschreie ausstieß. Sie stopfte den Beutel ins Maul, aber …
Reicht nicht. Wo ist der Rest? … Die Luft strömt zu schnell aus.
Erst jetzt fiel ihr wieder der Helm ein.
Idiot! Wo hast du …
Als sie aufstand, versetzte die kollabierende schwere Plastikplane ihr einen Schlag ins Gesicht. Sie duckte sich, watschelte herum und versuchte sich zu erinnern, wo sie den Helm abgelegt hatte.
Üblicherweise an der Schleuse, auf der Werkbank.
Im Entengang bewegte sie sich darauf zu. Sie atmete schwer, doch sog sie keine Luft in die Lunge. Es dauerte eine Ewigkeit, die zehn Meter zu bewältigen. Die Decke drohte sie unter sich zu begraben.
Sie stieß die Plane weg, doch sie war erstaunlich schwer. Es gelang ihr mit Mühe und Not, sie um einen halben Meter anzuheben.
Wo ist der Helm?
Sie sah nichts im Dunst. Die Dichte nahm schnell ab, und Wasser kondensierte in dichten Wolken.
Sie blinzelte, um die Sicht zu klären. Die Augenlider sprachen träge an.
Erfrieren? Austrocknen?
Helm!
Die Idee kam ihr schlagartig, und sie wußte instinktiv, daß sie die Rettung bedeutete. Der Helm war irgendwo in der Nähe, doch hatte sie bereits das Gefühl, daß die Augen verklebten. Sie würde den Helm nicht rechtzeitig finden. Sie sah fast nichts mehr.
Muß
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