Das Rennen zum Mars
Behandlung für Leberkrebs entwickelt haben. Sie arbeiten weder mit Medikamenten noch mit Bestrahlung, sondern mit Ultraschall.« Sie lauschte konzentriert.
»Diese Methode wurde von denselben Leuten entwickelt, die auch die Technik der Arterienreinigung mit Ultraschall erfunden haben.
Beide Konzepte entstanden zur selben Zeit, doch die Entwicklung dieser Therapie hat viel länger gedauert. Die technischen Details kenne ich nicht, aber im Prinzip geht es darum, daß der Krebs beseitigt wird, ohne das gesunde Lebergewebe zu schädigen. Das ist nämlich das eigentlich Gefährliche an dieser Art von Krebs – er durchzieht das gesunde Gewebe. Sie haben diese Behandlungsmethode sowohl an Tieren als auch an Menschen erprobt und gute Ergebnisse damit erzielt.«
Toll , sagte sie sich.
Er hielt inne und atmete durch.
»Also fliegen wir in ein paar Tagen nach Los Angeles. Deine Mutter und ich sind vom Nutzen dieser Behandlung überzeugt. Schaden wird sie mir jedenfalls nicht, und im ungünstigsten Fall schinde ich noch etwas Zeit heraus. Du brauchst dir also keine Sorgen um mich machen, Schatz. Du mußt ein paar schwierige Entscheidungen treffen, und ich will dich nicht noch zusätzlich belasten.«
Nachdem er noch ein paar andere Dinge erwähnt hatte, die die Familie betrafen, meldete er sich ab. Sie stand auf und streckte sich. Sie hatte es sich schon vor langer Zeit abgewöhnt, Probleme zu wälzen, wenn der Betreffende sie selbst zu lösen vermochte. Keine fruchtlosen Grübeleien. Statt dessen gönnte sie sich ein Vergnügen.
Sie wollte ins Gewächshaus gehen und legte zu diesem Zweck den Druckanzug an. Nachdem sie sich für ein paar Tage im Hab aufgehalten hatte, wollte sie wieder einmal etwas anderes sehen.
»Der Helm bleibt auf«, sagte Viktor streng. »Ich werde dich im Auge behalten.«
* * *
Das Gewächshaus war wie immer ein Labsal. Eine grüne Oase in einer roten Wüste …
Leider waren die Pflanzen in der auf den Druckverlust folgenden Nacht erfroren. Tote, braune Ranken hingen von den Stützstreben.
Andere Pflanzen waren einfach in sich zusammengefallen.
»Viktor«, rief sie über Funk, »wenn du den Wartungsplan erstellst, vergiß nicht, daß im Gewächshaus ASAP wieder angepflanzt werden muß.«
»Ich notiere es mir. Ist alles tot?«
»Sieht wohl so aus. Ich habe die Pflanzen zwar nicht katalogisiert, aber ich sehe kein Grün mehr.«
Nach der Analyse der Gewächshaus-Atmosphäre klappte sie das Helmvisier hoch und sog zögerlich die Luft ein. Es war ganz normale Hab-Luft, die von einem leichten Pflanzenduft durchzogen wurde. Sie seufzte. Frische Luft würde sie erst dann atmen, wenn die Pflanzen wieder sprossen.
Sie ging geradewegs zur instand gesetzten Nebelkammer. Viktor hatte die Verbindungsstellen verstärkt, und sie schienen auch zu halten. Sie linste durch die transparente Wand …
Und staunte über den Anblick.
Ein ›Zwergenaufstand‹. Und sogar – schier unglaublich -Farben!
Blaß, aber eindeutig bunt.
In der hinteren Ecke sproß der sellerieartige Strunk. Unterhalb der Düse, die die Nährstoffe versprühte, hatte eine kleine Lache mit einer rosigen Schaumschicht sich gebildet. Wetten, daß sie von Mars-›Shrimps‹ wimmelt? Im Mittelpunkt der Kammer wuchs ein Geflecht aus hellblauen Strängen. Glatte Abschnitte der Matte wechselten sich mit Stellen ab, die mit warzenartigen Knubbeln besetzt waren. Die Matte war seit der Zerstörung des Gewächshauses sogar noch gewachsen.
Ihre Gedanken jagten sich. Wie war es möglich, daß diese fahlen Fetzen einen solchen Differenzierungsgrad erreicht hatten?
Sie hatte zwei Erklärungen parat. Vielleicht handelte es sich bei der Matte um eine aus verschiedenen Organismen bestehende Lebensgemeinschaft, deren Komplexität sich erst ab einer bestimmten Größe offenbarte. Gewisse Mikroben auf der Erde besaßen chemische Systeme, mit deren Hilfe sie ihre Nachbarn zählten. Hatte eine bestimmte Anzahl sich zusammengefunden, aktivierten die Mikroben brachliegende Gene und entwickelten neue Eigenschaften.
Oder … es handelte sich um einen Organismus von extremer Plastizität. Wobei minimale Veränderungen der Umweltbedingungen radikale Veränderungen des Organismus verursachten.
Wie im Fall der Schleimpilze. Den Großteil ihres Lebens verbrachten sie als Einzeller auf Wanderschaft. Als solche streiften sie durch ein Biotop aus feuchtem, vermoderndem Holz, ähnlich einer Amöbe. Nahm die Feuchtigkeit jedoch ab, führte das zu einer nachhaltigen
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