Das Rennen zum Mars
schalten, damit jeder sieht, daß wir nichts zu verbergen haben.«
Sie saß während der Übertragung hinter ihm. Sie winkte auch fröhlich in die Kamera, enthielt sich aber jeden Kommentars.
»He, Boss, entspannen Sie sich«, sagte Viktor. »Die Kamera war aus Versehen die ganze Nacht ausgeschaltet. Wir haben sie vorhin wieder eingeschaltet.«
Stimmt leider.
Sie hatten sie nämlich mit dem größten Bedauern wieder eingeschaltet. Von der Privatsphäre einmal abgesehen, fühlten sie sich bei ausgeschalteter Kamera der Erde noch weiter entrückt. Das war ein ausgesprochen gutes Gefühl.
»Wie Sie sehen, ist hier alles in bester Ordnung«, fuhr Viktor ungerührt fort. »Das heißt, mit Ausnahme des ERV. Wir glauben, daß Sie in bezug auf Airbus richtig handeln. Es ist mir lieber, Sie verhandeln mit ihnen, als wenn ich das tun müßte.«
Aha. Er sagt ›ich‹ anstatt ›wir‹. Bin gespannt, ob Axelrod das auffällt.
»Anders als wir haben Sie Routine mit Verhandlungen. Ihrem Wunsch entsprechend ziehen Marc und Raoul ins ERV um, zwecks Bewachung des Methans. Auf diese Art halten wir uns alle Optionen offen. Wir geben hier nichts aus der Hand.«
Wie recht er doch hat!
»Sie verschaffen uns eine ›Mitfluggelegenheit‹ in der Atomrakete und schinden so viele Plätze wie möglich raus. Ich werde dann die endgültige Entscheidung treffen, wer mitfliegt. In dieser Hinsicht sind wir uns einig.«
Gut gebrüllt, Löwe. Sein souveränes Auftreten nötigte ihr Bewunderung ab. Er besaß wirklich Führungsqualitäten.
»Seit Airbus uns gestern besucht hat, haben wir nichts mehr von ihnen gehört. Die Sensoren, die wir in der Nähe ihres Schiffs aufgestellt haben, melden aber, daß sie Vorbereitungen für das Schmelzen des Pingo-Eises treffen. Sie rollen Schläuche aus und stellen Verbindungen zum Reaktor her.«
Ein strahlendes Lächeln.
»Was uns betrifft, müssen wir die programmierte Wartung durchführen. Wegen der Reparaturarbeiten am ERV haben wir das sträflich vernachlässigt. Wir könnten Unterstützung vom Technischen Stab gebrauchen, damit wir auch nichts vergessen.«
Sie wunderte sich darüber, daß Viktor so tat, als sei überhaupt nichts vorgefallen. Vielleicht ist das auch nur seine Art, das Problem zu bewältigen. Vertraute Abläufe haben eben etwas Beruhigendes.
* * *
Julia selbst war erschöpft. Die Grippe in Verbindung mit der nervlichen Anspannung versetzte sie in einen Zustand der Mattigkeit.
Nachdem Marc und Raoul mit dem Dünenbuggy aufgebrochen waren, beschloß sie, sich in ihre Kabine zurückzuziehen, die aufgelaufenen E-Mails zu sichten und wichtige Korrespondenz nachzuholen.
Damit hätte sie auch eine Entschuldigung, sich der Kamera zu entziehen.
Es herrschte eine seltsame Atmosphäre im Habitat, wo sie nur noch zu zweit waren. Sie waren auch früher schon allein gewesen, wenn Marc und Raoul mehrtägige Exkursionen mit dem Red Rover unternommen hatten, doch war das damit nicht zu vergleichen. Im Gemeinschaftsbereich sprachen sie jedoch nicht darüber – seit jeher hoben sie sich solche Gespräche für die Kabine auf, wo sie keine Zuhörer hatten und dem Blick der Kamera entzogen waren.
Julia ging früh zu Bett, nachdem sie sich den üblichen Schlummertrunk, eine heiße Schokolade, zubereitet hatte. Sie nahm die Tasse mit in die Kabine und kuschelte sich in die Decke.
Viktor gesellte sich wenig später zu ihr. »Es ist mir zu ruhig dort draußen«, sagte er.
»Fast schon gespenstisch. Was glaubst du, war der wirkliche Grund für ihren Auszug?«
»So können sie ungestört etwas aushecken.«
»Glaubst du etwa, sie wollen die Atomrakete immer noch kapern?«
»Raoul ist zwar ein sehr unglücklicher Mann, aber nicht verrückt.«
»Genau. Ich habe eher die Befürchtung, daß sie versuchen werden, einen Handel mit Airbus zu machen.«
»Womit?«
»Mit wem, meinst du wohl.«
»Ach, die Frauen.« Er stützte sich auf den Ellbogen. »Sag mir, woran du denkst.«
»Zum einen haben wir alle gesehen, wie Marc und Claudine miteinander geturtelt haben. Vielleicht will Raoul Marc jederzeit im Auge haben.«
»Ja. Diese Überlegung hat etwas für sich. Aber was ist mit Gerda und Raoul?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht den Eindruck, daß zwischen den beiden etwas läuft. Außerdem habe ich sie früher ein paarmal mit typischen ›Germanen‹ gesehen. Weil wir uns aber nie über persönliche Dinge unterhalten haben, kenne ich ihre Vorlieben nicht.«
»Wenn man für acht Monate in
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