Das Rennen zum Mars
Dschungelexpedition bestritt er, indem er Berichte für eine Zeitung schrieb. Ein Polarforscher – Shackleton, der als erster Mensch den Südpol erreichte – schrieb Bücher, hielt Vorträge und zeigte sogar die ersten Filme über die Antarktis. Nur um seine Forschungsreise zu finanzieren.«
»Na gut, aber das ist Schnee von vorgestern.« Sie trug ein Abendkleid, eine Art Wickelkleid, das recht viel von ihrem knochigen Dekolleté zeigte. Bei Auseinandersetzungen mit einem Mann war es immer ratsam, die weiblichen Formen zu kaschieren, am besten mit einem Arbeitsanzug und derbem Schuhwerk. In dieser offenherzigen Kluft fühlte sie sich im Nachteil. »Und was ist mit diesen Werbeverträgen …«
»Ich habe meine Rechtsexperten auf die Sache angesetzt. Wir machen den Herstellern von Outdoor-Bekleidung das Angebot, ihre Klamotten auf dem Mars zu tragen. Das sind High-Tech-Unternehmen. Sie rüsten uns mit dem Besten vom Besten aus, und ihr Astronauten veranstaltet auf dem Mars eine Modenschau; dafür stellen wir ihnen dann eine saftige Rechnung aus. Logos, Markennamen – hier eröffnet sich ein breites Geschäftsfeld.«
»Aber mit Einschränkungen. Sportschuhe? Die kann man auf dem Mars doch nicht tragen.«
»Aber im Habitat.«
»Warme Kleidung – das leuchtet mir noch ein.«
»Sie sollten mal einen Blick auf den Ski-Vertrag werfen, den wir fast unter Dach und Fach haben.«
»Skier?« Sie lachte. »Das sind nun Geräte, für die wir bestimmt keine Verwendung haben.«
»Schauen Sie, wir wissen, daß manche Sponsoren kein Risiko eingehen wollen. Na schön, dann sollen sie ihre Leibchen eben im Schlußverkauf verramschen. Aber die junge Herrenmode – die Jungs stehen auf ausgefallene Sachen. Da genügt es schon, wenn man die Produkte mit dem Flug zum Mars assoziiert.«
»Das muß man Ihnen lassen – Sie haben Mut zum Risiko.«
»Ich habe nur ein Gespür für den Markt, das ist alles. Ich werde euch alle reich und berühmt machen; wartet’s nur ab.«
* * *
Die Besatzungsmitglieder waren im Streß. Sie krochen fast auf dem Zahnfleisch, so intensiv hatten sie die Trainings-Routinen durchexerziert, und noch immer existierte kein operatives Gesamtkonzept.
Viktor verbrachte den halben Tag im Simulator und übte fleißig Luftbremsmanöver. Die Avionik-Besatzungen hatten Probleme mit dem Öffnen der Fallschirme. Die in einer Höhe von 80000 Fuß durchgeführten Versuche ergaben, daß die Schirme bei Mach Drei sich in der turbulenten Strömung verhedderten. Selbst bei der Außenhaut, die von Martin Marietta(Martin Marietta: Unternehmen der US-Luft- und Raumfahrtindustrie.- Anm. d. Übers.) gemäß NASA-Spezifikationen gefertigt wurde, trat gefährliche Materialermüdung in Form von Lochfraß und Rißbildung auf, als sie in der Windkanal-Simulation mit hypersonischer Geschwindigkeit in die dünne Kohlendioxid-Atmosphäre des Mars eintauchte. All diese Probleme mußten behoben werden, und zwar schnell.
Axelrod konfrontierte die Astronauten mit einem Problem nach dem anderen. »Ich will nicht, daß ihr einrostet«, lautete die lakonische Begründung. Und dann blinzelte er schelmisch.
Zuerst hatte Julia diese Geste noch witzig gefunden. Doch nach dem ersten Dutzend ging es ihr nur noch auf die Nerven.
Verglichen mit dem Konsortium war das NASA-Prozedere geradezu schmerzhaft langwierig. Insbesondere Katherine befürchtete, daß das Bestreben, das schon in fünf Monaten sich öffnende Startfenster zu durchstoßen, auf Kosten der Sicherheit ging. Als ReservePilot trainierte sie zusammen mit Julia, und im Simulator übten die beiden Frauen dann mit Viktor und Raoul. Julia war für die Überwachung der Scherkräfte und Wärmeentwicklung verantwortlich, während Katherine Höhe und Geschwindigkeit des Schiffs sowie Nick- und Giermomente überwachte und Abweichungen vom Gleitpfad korrigierte – wobei die Reaktionszeit höchstens zwei bis drei Sekunden betrug. Die Arbeit war in der Regel schwer, oft kaum zu bewältigen und immer stressig.
Axelrod war ständig in der Nähe, kontrollierte und motivierte sie und schraubte die Erwartungen immer höher. Als Julia und Katherine einmal am Ende eines scheinbar endlosen Tages fix und fertig aus dem Simulationsmodul krochen, war Axelrod schon mit einem doofen Spruch zur Stelle gewesen. Er kümmerte sich jedoch viel intensiver um seine Leute, als die NASA-Funktionäre es je getan hatten. Julia begrüßte das, denn dadurch erfuhren die Leute einen Motivationsschub und bekamen das
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