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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war wohl normal in einer solchen Situation. Aber wenn er ihn anblickte, war es, als liege über seinen Augen ein Schatten, der ihn hinderte, seine Umgebung wahrzunehmen. Okay, dachte Hendrik Merz, das ist seine Premiere. Du spielst zwar eine Rolle, aber im Grunde ist es sein Stück.
    Doch Handgranaten?
    »Was sollen denn die Dinger, Ron?«
    Ron rieb sich das schweißnasse Kinn. »Na, was schon? Kann ja sein, daß wir sie brauchen.«
    »Wir?«
    »Du.« Er sah Hendrik mit diesem seltsam verschleierten Blick an. Sein rechtes Augenlid zuckte. Er hat wieder Schmerzen, dachte Hendrik Merz. Ich müßte das alles verbieten. Nur – wie?
    »Hast du schon mal erlebt, wie so ein Ei losknallt?«
    »Klar. Ich war doch Soldat.«
    »Ach ja? Aber was so eine Scheißhandgranate anrichtet, konnten sie dir beim Bund nicht vorführen. Ich weiß es. Ich hab's nicht nur gesehen, ich konnte die Folgen zusammenflicken.«
    »Wenn's drauf ankommt, kriegt der Hai die Ladung ab. Um den brauchst du dich nicht zu kümmern.«
    »So? … Du, dein geschienter Arm – und dann Handgranaten? Wie paßt das zusammen? Laß den Blödsinn, hörst du?«
    Rons Blick wurde klar: »Angst, Hendrik?«
    »Ich nicht«, sagte Hendrik Merz. »Aber du.«
    Ron zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Dann drehte er sich zu Tama um und rief: »Was zu sehen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Sie hat keinen einzigen Hai entdeckt. – Ich auch nicht.«
    »Und?« fragte Hendrik Merz und schob die Maske übers Gesicht. »Was sagt das schon?«
    ***
    Es war wie am Vormittag.
    Die Sekunden verstrichen, und jede einzelne wog wie Blei – und Hendrik meldete sich nicht …
    Tama stand neben ihm, die weit geöffneten Augen auf den Bildschirm gerichtet, den Mund zusammengepreßt. Ron glaubte aus dem krächzenden Auf und Ab der Störungen Hendriks Atem auszumachen. Aber vielleicht täuschte er sich …
    Tama sagte irgend etwas. Er verstand es nicht, aber sie wandte ruckartig den Kopf zum Fernseher. Hendrik hatte die Videokamera eingeschaltet. Das Bild war klar ausgeleuchtet. Es zeigte einen Teil einer Männerschulter. Afas Schulter mußte das sein. Nun Afas Hand mit dem Messer … jetzt ein Teil des großen Leinenbeutels, der die Muscheln aufnehmen sollte.
    »Ovaku« , flüsterte Tama.
    Ja. Da waren sie! Es war der Anblick, auf den er so lange gewartet hatte! Dafür hatte er gekämpft, die Schmerzen ertragen, das Unmögliche möglich gemacht: Austern! – Hintereinander gestaffelt, eine nach der anderen, zum Greifen nah. Afas Hand hatte die erste, hielt sie in das Licht der Kamera, drehte sie hin und her. Deutlich waren die gezackten, hellen Ränder zu erkennen. Nun warf er sie in den Sack. – Die zweite. Die dritte …
    Ein tanzender Sand- und Fragmentnebel verwischte das Bild. Endlich knackte aus dem Lautsprecher Hendriks Stimme.
    »Na, ihr da oben? … Ein halber Sack ist schon voll. Und was unsere Brüder, die Haie, angeht – Fehlanzeige! Halten Abstand … Wenn schon, sie können uns nicht in die Pfanne hauen. So ein Käfig ist ganz schön praktisch. Ich glaube, daß ich ein paar gesehen habe … Ziemlich weit draußen am Buchteingang …«
    Die nächsten Worte waren nicht zu verstehen. Die Störungen erwiesen sich als stärker. Aber da war er wieder: »Noch 'ne halbe Stunde … Erster Sack voll … Geht … Geht viel schneller als …«
    Sauerstoffperlen stiegen im Bild hoch. Dahinter war Hendriks Maske und hinter den Brillengläsern seine Augen. Tatsächlich wie im Zoo. Nur, daß die Gäste keinen Eintritt zahlen und wir die sind, die hinter Gitter sitzen.
    Die Gäste? In das Kamerabild geriet Bewegung. Anscheinend hatte Hendrik das Gerät vom Haken genommen und hielt es nun selbst in der Hand. Der ewige Tanz der winzigen Schmutzteilchen hörte auf, der klare Strahl des Scheinwerfers glitt über den runden, dunklen Rücken der Muschelbank, über Seepflanzen, hielt für Sekunden einen Schwarm kleiner Fische fest und verlor sich in türkisfarbener Helligkeit. Ein strahlend klares Licht. Darin machten sich die vier großen Punkte besonders bedrohlich. Sie waren tiefschwarz und mußten sich bewegen, denn sie wurden rasch größer, wurden zu vier Kreisen, die wirkten wie die Konzentration, ja, die Zusammenballung von Gefahr und Unheil – vier schwarze Fäuste, die aus dem Meer heranflogen …
    Haie!
    Sie hatten die Köpfe genau zum Käfig gerichtet. Sie schwammen ihren Angriff. Deutlich konnte Ron nun die Linien der Schwanz- und Rückenflossen erkennen.
    »Hendrik!« Er brüllte.

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