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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Segnungen der Elektrizität vertraut zu machen, irgendwann einmal, vielleicht mit Hilfe eines zuschaltbaren Wasserwerks Licht auch noch in die letzte Hütte zu bringen, denn schließlich in der Krankenstation konnte Licht nicht nur wichtig, es konnte lebensentscheidend werden – der ganze Aufwand also nichts weiter als ›pretty complicated‹?
    Alle standen im Kreis und lachten ihn nur freundlich an.
    Er aber war sich vorgekommen wie ein kleiner Junge, dem die anderen Kinder beibrachten, daß er mit seinem Spielzeug selber spielen solle, weil es nicht nur uninteressant, sondern irgendwie dämlich sei. Schließlich, mit ihren ›Umus‹, den Erdöfen, die nichts waren als Feuergruben, und den Öllampen waren sie seit jeher froh und zufrieden.
    Außerdem: Welcher vernünftige Mensch bleibt nachts wach, wo doch der Tag schon so lang ist?
    Dies in etwa sagte Tápana, der Häuptling. Er legte dabei den Zeigefinger quer über die Stirn. Du bist verrückt, hieß das. Dann aber entschied Tápana, uneingeschränkter und unangefochtener Herrscher, der er nun mal war: »Für dich Licht, Ovaku. Für mich auch. Die andern …« Tápana schüttelte den Kopf. »Zu gefährlich. Viel zu gefährlich.«
    Und er hatte recht.
    Auch damit, daß Ovaku wohl übergeschnappt war. Ron begriff, was er meinte und verfluchte sich, daß er nicht sofort selbst darauf gekommen war: Ganze Lichterketten wollte er dem Dorf aufstecken – doch was dann? Nicht nur jeder Pilot, der die Insel überflog, auch jeder Skipper, den das Wetter in ihre Nähe trieb, würde von weitem erkennen: »Tonu'Ata ist bewohnt! Hier gibt's Licht. Hier gibt's Zivilisation. Unglaublich, warum bloß sind wir nicht schon längst dahintergekommen?«
    Das Geheimnis von Tonu'Ata wäre aufgedeckt. Und dies wollte Tápana genausowenig wie Ron. Schließlich herrschte über Tonu'Ata noch immer Onaha, die Schildkröten-Göttin, die Schutzpatronin der Fruchtbarkeit, der Freundschaft, der Liebe und der guten alten Sitten.
    Und so sollte es auch bleiben …
    ***
    Sie gingen sehr früh ins Bett an diesem Tag.
    Ron hörte noch einmal die Wetternachrichten ab und vernahm dabei zum ersten Mal das Wort ›Sturmwarnung‹: Ein Hurrikan hatte die Vava'U-Inseln gestreift und sich aufs offene Meer hinaus verzogen. Als Windstärke wurde zwischen fünf und sechs angegeben. Nun, das schien einigermaßen erträglich. Und falls das Unwetter auch Tonu'Ata überrollte, würde es sich weiter abgeschwächt haben.
    Der Wind jedenfalls hatte zugenommen. Und was da vom Riff herüberdrang, das war kein Rauschen mehr, das war ein Orgeln.
    Ron machte seinen üblichen Rundgang um das Haus, prüfte Türen, Fenster und Verriegelungen, machte einen Dachteil in der Werkstatt wetterfest, indem er ihn mit Seilen am Boden verankerte, und sagte sich dabei das Übliche: Na, so schlimm wird es schon nicht kommen …
    Und so war es auch. Das Gewitter blieb in der Luft, doch es kam nicht.
    In dieser Nacht hatte Ron einen Alptraum. Selten, fast nie träumte er von den Jahren, die vor seinem Leben auf Tonu'Ata lagen, doch nun stand er am Fenster eines großen Büros. Er wußte nicht, ob es das seine war. Auf dem Schreibtisch stand ein Monitor und spulte lange Reihen von Zahlenkolonnen ab, ließ sie erstarren, fing wieder an.
    Die Tür ging auf. Eine Mädchenstimme sagte: »Ich habe gerade Kaffee gemacht, Herr Hamacher. Wollen Sie auch eine Tasse?«
    Er drehte sich noch nicht einmal um. »Nein, nein, lassen Sie mal. Danke«, sagte er und sah wieder hinunter auf die Straße, die in einen Platz mündete. Autos schoben sich dem Platz zu, auf den Bürgersteigen gingen viele Menschen, es war nicht weit zu ihnen, das Bürofenster befand sich im zweiten Stock. Aber wie er sie so betrachtete, erschienen sie ihm sonderbar und merkwürdig, und er fühlte sich, als käme er von einem anderen Stern. Die Menschen unten auf der Straße waren alle warm angezogen, gingen hastig, die Schultern hochgezogen, die Köpfe nach vorne gestreckt, die Hände in den Taschen ihrer Mäntel vergraben. Die meisten gingen in Richtung des Platzes, und er sah die kleinen Atemwölkchen aus ihren Mündern wie winzigen weißen Rauch aufsteigen. Sehr kalt mußte es dort draußen sein!
    Dann plötzlich, wie auf das Kommando eines unsichtbaren und unhörbaren Regisseurs, blieben alle stehen. Auch die Autos stoppten. Manche der Wagen versuchten auf der Fahrbahn zu drehen, sie verkeilten sich sofort.
    Der große blaue Mercedes direkt unter ihm hatte mit dem Heck

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