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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stimmen und der Bratenduft ungezählter Erdöfen herüber.
    Descartes hing völlig entspannt in seinem Stuhl. Sechs Stunden Schlaf schienen ihm genügt zu haben. »Ron Edwards.« Das runde, freundliche Gesicht wirkte nachdenklich. »Amerikaner, was? Woher denn? Aus welcher Stadt?«
    »Amerikaner deutscher Abstammung«, wich Ron einer direkten Antwort aus. »Und wo kommen Sie her?«
    »Oh, gar keine so einfache Frage. Wer einige Zeit hier wohnt, muß sich das richtig überlegen, finden Sie nicht?«
    »Ja«, sagte Ron. »Stimmt. Aber vielleicht läßt es sich klären.«
    »Lyon. Da war ich mal Lehrer. Die Stadt der Händler und der Krämer. Für mich die Stadt mit der größten Zentrifugalkraft der Welt. Kennen Sie Nikolaus von Kues?«
    Ron schüttelte den Kopf.
    »Auch ein Deutscher. Der lebte irgendwo an der Mosel, glaube ich. Na, jedenfalls … Nikolaus von Kues vertrat die Auffassung, eine Linie sei nichts anderes als die Entfaltung des Punktes. Lyon war mein Punkt. Heute sehe ich mich mehr als Linie, verstehen Sie?«
    Ron versuchte es. »Was haben Sie denn Ihren Schülern beigebracht? Philosophie?«
    »Richtig! Sie sind Hellseher! Und es waren meist Schülerinnen. Hübsche, junge, freche Dinger. Und von keinem, auch nicht dem kleinsten Gedanken angekränkelt. – Kann ich noch mal so was haben?« Er deutete auf die Flasche Courvoisier. »Gelegentlich bin ich stolz, Franzose zu sein. Das zumindest haben wir geschafft – einen guten Cognac herzustellen.«
    Ron goß ihm erneut das Glas voll. Die Flasche war nun halb leer. Die letzte. Und dazu noch die Flasche, die er nach seiner Begegnung mit dem Hai angebrochen hatte.
    »Salut!« Gilbert Descartes hob sein Glas. »Wieso siezen Sie mich eigentlich ständig, Ron? Ist das noch das deutsche Erbe, oder was?«
    »Nun ja, Sie sind der ältere. Und dazu noch Philosoph.«
    »Älter schon«, sagte Descartes melancholisch. »Aber Philosoph? Außerdem, Sie haben mich reingeschleppt. Und sich auch noch das schönste Mädchen von Tonu'Ata ins Haus geholt. Sie müssen also ein verdammt netter Kerl sein – oder außer der Yacht noch über andere großartige Dinge verfügen. Sag mal, was ist denn aus Lanei'ta geworden?«
    »Das fragst du nun schon zum zweiten Mal.«
    »Wieso denn nicht? Tápanas Mädchen sind ja schließlich schon als ganz junge Gören bei mir auf dem Schiff herumgeklettert. Unglaublich geschickte Schwimmerinnen und Taucherinnen waren das. – Hat sie einen Mann?«
    »Ein Kind. – Der dazugehörende Mann ist tot.«
    »Das tut mir leid …«
    »Lanei'ta wohnt gleich dort drüben.« Ron deutete auf den braunen Giebel, der sich hinter den Bambusstauden hochschob, die den Garten begrenzten. Er überlegte, doch es widerstrebte ihm, die Geschichte von Jack, seinem Hubschrauber und der Schlacht um die Perlenbucht zu erzählen. Das hatte Zeit.
    Im Dorf drüben rührten sich die ersten Trommeln. Es waren die helleren, kleinen Baumtrommeln, die die heranwachsenden Jungen spielten. Sie übten.
    Hinter der kleinen komischen Brille schlossen sich Descartes' Augen. Er wirkte vollkommen entspannt. »Hast du eigentlich noch Nomuka'ta gekannt, den Medizinmann?«
    »Ja.«
    »Das war ein interessanter Mann. Der war Philosoph, wirklicher Philosoph. Auf seine Art. Er war klug. Sehr klug. Wir haben uns so oft unterhalten. Er ist tot, sagte mir Tama.«
    Ron nickte.
    Und wieder dachte er an den weißen Hai, an den gestrigen Tag – und an den Alptraum, der ihn in der Nacht verfolgt hatte …
    »Hast du Erfahrungen mit Haien, Gilbert?« fragte er aus seinen Gedanken heraus.
    »Ich?« Das runde, entspannte Gesicht war zum Himmel gerichtet. Die Augen hatte Descartes noch immer geschlossen. Er wirkte beinahe träumerisch. »Ich glaube schon. O ja. Ich bin viel getaucht. Früher.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Du hast mich doch gefragt, warum ich so lange weg war. Willst du den Grund wissen?« Er beugte sich nach vorne, zog den Stoff dieser unmöglichen gestreiften Hose am rechten Bein hoch, und zum Vorschein kam ein verformtes, von bläulichen Narben bedecktes Knie.
    »Ich hatte das klassische Pech. Ich bin tatsächlich an Deck auf einer Bananenschale ausgerutscht. Das Ergebnis siehst du. Zwei Jahre k.o. … Zunächst ein halbes Jahr Klinik in Pangai. Dort gab es einen netten jungen Kerl, Hendrik Merz, Doktor Hendrik Merz – auch ein Deutscher übrigens –, der sich alle Mühe machte, mein Bein wieder einigermaßen hinzukriegen. Hat er auch. Bloß nicht ganz … Na schön, man muß im Leben

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