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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Segeltuchbeutel mit.
    Noch mehr Munition? dachte Ron. Oder hat er vielleicht Handgranaten da drin? Sieht ganz so aus …
    »Merde«, fluchte Descartes. »Scheiße. Das gibt's doch nicht!«
    Jetzt war Ron froh, daß er sich zuvor diesen Platz gewählt hatte. Sie drückten sich in den Schutz der beiden riesigen Bananenstauden.
    Seine Gedanken rasten. Er wußte bereits, was er zu tun hatte. Aber noch wartete er. Wer war das? Wie viele waren es? Und … was wollten sie?
    Nach all dem Lärm des Festes wirkte die Stille, die sich auf das Dorf senkte, wie ein Mantel aus Blei. Der Mann mit dem roten Stirnband zeigte weiße Zähne. Er grinste die Mädchen an. Dann ging er langsam, die Waffe schlenkernd, lässig wie ein Spaziergänger in die Mitte des Platzes.
    Dort blieb er stehen, ließ den Kopf kreisen, riß die MP hoch, schwenkte sie im Halbkreis und jagte dicht über die Köpfe der Menschen, die seinen Auftritt wie in Trance verfolgten, einen Feuerstoß aus dem Lauf.
    Wieder war es so still wie zuvor.
    Der Mann drehte sich um und ließ den Blick über die erstarrten Dorfbewohner wandern. Plötzlich riß er den linken Arm hoch und brüllte mit einer grellen, hohen, überkippenden Stimme: »Hinlegen! Jeder! In den Sand! Die Arme nach vorne.«
    Und sie gehorchten.
    Sie warfen sich in den Sand.
    Uns hat er nicht gesehen! Ron sog den Atem durch die zusammengebissenen Zähne. Er kann uns nicht gesehen haben. Dabei steht Gilbert, dieser Verrückte, noch immer.
    »Los! Bloß weg«, flüsterte Ron.
    »Zur Lagune?«
    »Nein. Ins Haus, Gilbert. Dort hab' ich eine kleine Überraschung für die Kerle.«
    Er ergriff Tamas Handgelenk, wollte sie mitziehen, als er den Schrei hörte. Über die Schulter blickte er zurück. Sein Herz setzte aus …
    Aus dem Längsschatten, den das Fale, das Langhaus des Häuptlings, warf, rannte eine Gestalt heraus. Ein Mann. Einer der jungen Männer von Tonu'Ata. Und er lief gebückt. Das verhieß nichts Gutes. Noch weniger gefiel Ron, daß er einen Speer in der Hand hielt … Wer ist das? Er ist, er muß wahnsinnig sein!
    Zunächst hatte Ron bei dem Anblick an Afa'Tolou, Tamas Bruder, gedacht, und wie in einer Fotoblende schob sich ein zweites Bild in sein Bewußtsein: Fai'fa, der älteste der Häuptlingssöhne, wie er damals den Speer schleuderte, um dann seinen sinnlosen Tod zu erleiden …
    Doch das war lange her. Der, der da herausrannte, gehörte nicht zur Tápana-Familie. Nein, das war Alatu, einer der Söhne von Seiva, und Alatu galt als bester Hai-Jäger des Dorfes.
    Ron kannte und mochte ihn. In der Woche zuvor noch hatte er Alatu einen langen, scharfen Bambussplitter aus dem Unterarm gezogen. Alatu hatte sich den Splitter geholt, als er die Auslegerholme seines Kanus mit Bambus belegen wollte. Die Wunde war so groß gewesen, daß Ron sie nähen mußte. Es war der rechte Arm, er erinnerte sich genau – und mit diesem verletzten rechten Arm hob er nun den Speer.
    Er brachte ihn nicht einmal über den Kopf.
    Wieder knallten Schüsse.
    Und nun schrien die Menschen von Tonu'Ata, schrien, ausgestreckt am Boden liegend, die Hände in den Sand verkrallt, und ihre Stimmen vereinigten sich zu einem einzigen Chor der Ohnmacht und des Schmerzes.
    Alatu aber hörte den Schrei nicht mehr.
    Die Salve hatte ihn erfaßt. Es war, als griffe eine Faust nach ihm, eine Faust, die seinen Körper hochriß, ihn in einem schrecklichen Todeswirbel um die eigene Achse drehen ließ und dann zu Boden schmetterte. Blut floß aus seinem aufgerissenen Leib in den Sand, die Hand zuckte noch immer, als suche sie den Speer.
    Und während Ron dies alles beobachtete, geschah, zeitsynchron bis auf die Sekunde, das zweite Drama: Aus dem Ring der Mädchen schnellte ein Frauenkörper hoch, begann zu rennen, rannte mit hocherhobenen Armen und geballten Fäusten dem Mörder entgegen …
    Dann, in schrecklicher Wiederholung, ereignete sich das gleiche: Der Lauf der Waffe spuckte Feuer, die Einschläge erfaßten den schlanken, halbnackten Leib, brachten ihn wie eine unsichtbare Wand zum Halten, warfen ihn zur Seite, in den Sand …
    Tama schluchzte: »Vanaia! Das … das ist Vanaia, seine Schwester! Vanaia Vanaia … Sie haben sie umgebracht …«
    Nomuka'ta! – Rons verzweifelter Zorn suchte Namen. Was ist? Wo bis du jetzt? Du hast es gesehen. Wo sind deine Götter? Ruf die Geister, los schon! Wo steckst du? Wieso hilfst du nicht? Weil du nicht kannst? Da sind sie! Keine Palangis, o nein, miese Killer, miese, dreckige Kanaken-Killer!

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