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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und die nun unangenehm hell, fast weiß durch die Palmen führten.
    Ron sah einen dicken Palmenstamm, den ein Hurrikan schon in der Jugend zur Erde gedrückt hatte, so daß er, sich beinahe waagerecht zwischen die anderen Stämme schiebend, eine Barriere bildete.
    Eine gute Deckung! Er kauerte sich mit Tama hinter den Stamm. Descartes kam erst Sekunden später, hinkend und viel zu aufrecht, zu sorglos für Rons Geschmack.
    »Herrgott, komm schon runter«, zischte er. »Zieh den Kopf ein, Gilbert.«
    Das tat er, hockte sich schnaufend neben Ron in den Sand. Legionär war er? Na, wenn dieser Ex-Legionär so weitermachte, dann gute Nacht! Ron schob Zweige zur Seite. Sein Herz schlug schneller bei dem Anblick, den der Dorfplatz nun bot.
    Alatu und seine Schwester lagen noch immer dort, wo dieses Schwein mit dem Stirnband sie niedergeschossen hatte, etwa zehn Meter links neben dem großen Häuptlings-Fale. Sie hatten Alatu wohl auf den Rücken gedreht. Arme und Beine waren ausgestreckt. Alatu wirkte sehr einsam dort auf dem Sand. Er sah aus wie ein Gekreuzigter.
    In der Mitte des Platzes hatten die Piraten, soweit er es erkennen konnte, die Menschen in Gruppen getrennt. Die Älteren, Frauen und Männer, lagen wie zuvor, das Gesicht in den sandigen Staub des Platzes gepreßt, die Arme weit nach vorne gestreckt. Um sie hockten im Kreis, regungslos wie kleine Puppen, die Kinder.
    Tápana konnte er nirgends entdecken.
    Das Bild jedoch, das Ron am meisten zusetzte, war das der Mädchen und Frauen. Sie bildeten eine lange Kette vor dem Eingang von Tápanas Fale. Die Feuer waren inzwischen weiter niedergebrannt, waren nichts als riesige Glutnester. Aber die Piraten hatten wohl die Fackeln entdeckt, die für das Fest vorbereitet worden waren, und einige davon in einem Halbkreis um den Eingang von Tápanas Haus in den Sand gesteckt. Ihr düsteres rotes Licht ließ die Gruppe noch wehrloser, noch dramatischer erscheinen.
    »Das sind keine Menschen«, flüsterte Tama neben ihm. »Tiere sind das. Nein, Teufel.«
    Das waren sie wohl.
    Da kauerten sie im Schatten, starrten, hielten den Atem an und konnten nichts unternehmen. Gar nichts.
    Der Mann mit dem roten Kopfband war kein Polynesier. Er war Malaie, man sah deutlich den asiatischen Augenschnitt, er mußte dieser Malaie sein, über den die ›Dépêche‹ berichtet hatte. Er hielt die MP schußbereit, den Finger am Abzug, an der Hüfte. Der Lauf mit dem häßlichen, kurzen Schalldämpferrohr war auf die Frauen gerichtet. Ron zweifelte nun keine Sekunde länger, daß er sofort wieder schießen würde, falls ihm etwas nicht paßte. Der Typ war in der Lage dazu.
    »Sie treiben sie ins Haus, Ovaku.«
    »Still, Tama …«
    »Still? Wir können doch nicht zusehen! Und wenn sie sie alle umbringen? Was wollen die von ihnen?« In Tamas Augen glänzten Tränen. Ihr Blick war so flehend, daß er wußte, er würde ihn nie vergessen.
    »Siehst du das?« fragte Gilbert leise.
    Ja, Ron sah es! – Jedesmal, wenn eine der Frauen und Mädchen im Hauseingang verschwand, mußte sie den Kopf nach vorne neigen, und der zweite Bursche, der größere, ein breitschultriger, athletischer Kerl, riß ihr mit raschem Griff die Perlenkette vom Hals, um sie auf die Bastmatte fallen zu lassen, die neben ihm im Sand lag.
    »Es sind Dämonen … Es sind Teufel … Verenge hat all seine bösen Geister über uns gebracht, Ovaku.« Er konnte Tamas Empörung verstehen: Die Perlenketten – sie waren die Freude der Frauen! Über Generationen waren sie zu ihnen gelangt, nicht nur ihr Stolz waren sie, auch Schutz und Erinnerung. Und nun, nun wurden sie geraubt! Und niemand konnte etwas tun. Keiner der Krieger Tonu'Atas konnte es verhindern. Und vielleicht wog diese Demütigung noch schwerer als der Verlust.
    Ron zwang sich zur Ruhe. Er atmete tief durch und versuchte, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen. Gut, da waren diese beiden Schweine. Aber es gab noch mehr von ihnen. Wo war der dritte, der vom Wald her Alatu erschossen hatte? Sie hatten sich das clever ausgedacht: Zwei handelnde Akteure, die anderen unsichtbar im Dunkeln, stets bereit zu töten. »Wie viele sind es? Was meinst du, Gilbert?«
    Der schwere Mann neben ihm zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Viele nicht. Drei oder vier vielleicht. – Ich glaube, du hast recht: In der Tasche hat er Handgranaten. Das ist Krieg, was die hier machen. Nein, das ist Oradour …«
    Durch Rons Kopf geisterte ein flüchtiges Erinnerungsbild: Oradour? Zweiter

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