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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Weltkrieg, ja und die SS hatte die Bewohner des französischen Dörfchens in eine Kirche getrieben und alle ermordet …
    »Was ist, Gilbert?« Er verstand es nicht, verstand noch weniger, als der Franzose aufstand. »Wo willst du hin? – He …«
    Descartes hob nur die Hand. Mondschein lag auf seinem Gesicht, und es war ein anderes Gesicht als das, das er kannte. Gelassen ja, rund auch, aber erstarrt wie zu einer Maske.
    Ehe ihn jemand zurückhalten konnte, lief er am Stamm entlang, lautlos, mit einer Geschicklichkeit, die Ron ihm nie zugetraut hätte. Er sah Descartes den breiten Ziehweg zur Lagune überqueren und mit den Schatten der Büsche dort verschmelzen.
    »Tama! Du rührst dich nicht, hörst du?«
    Es war wohl sinnlos, ihr das zu sagen. Solche Sätze nahm sie nicht an. Er lief los, und sie folgte sofort. Hintereinander überquerten sie den Weg, und da waren die Büsche, da war auch Gilbert, er hörte den heftigen, gepreßten Atem, ehe er ihn sah. – Und er war nicht allein.
    Vor ihm ausgestreckt, die Schultern unter Gilberts Knien und wild wie ein zuckender Fisch mit den Beinen um sich schlagend, lag ein dunkler Männerkörper. Ein Gesicht konnte Ron nicht erkennen, Descartes' Bauch verbarg es, nur das Kinn sah er, Descartes' mächtige rechte Hand hielt es umklammert. Nun schob sich seine zweite Hand nach unten, faßte wohl den Hinterkopf des anderen, und da war ein kurzes, hartes knackendes Geräusch. Die heftig kämpfenden Beine fielen herab, wurden schlaff, zuckten noch einmal und blieben still.
    Descartes stand auf und wischte die Hände am Stoff seiner schmutzigen Leinenhose ab, als müsse er sie säubern.
    »Mein Gott, Gilbert …«
    »Ja, mein Gott! Schön gesagt!« Descartes' Brille funkelte. »Wo steckt er? Und was will er hier wieder anrichten?« Seine Stimme war weniger als ein Flüstern, die Worte kamen monoton und traurig: »Er hat mich lang in Frieden gelassen. Seit dreißig Jahren hab' ich so was nicht mehr machen müssen. Seit Indochina … Meinst du, es gefällt mir?«
    Wieder kauerten sie sich in den Sand. Er war warm, war wie eine vertraute Berührung. Eine Pfütze Mondlicht lag auf dem Gesicht des Toten. Es war ein junges Gesicht. Es wirkte friedlich, fast kindlich.
    Gilbert schüttelte den Kopf und stieß seufzend den Atem aus.
    »Wenn wir jetzt mit deinen großartigen Spritzen auf dem Platz losknallen, bringt das gar nichts. Nur noch mehr Tote. Das hat keinen Zweck, Ron … Laß sie ihre Perlen einsammeln … Wir sehen uns besser hier um. Dann gibt's keine Überraschungen. Wie sind sie bloß hierhergekommen?«
    »Wie? Mit einem Schiff … Und vom Schiff mit dem Boot.«
    »Das ist mir auch klar. Und noch was glaub' ich: Sie haben ihr Boot abgesichert. Dort ist eine Wache. Die knöpfen wir uns jetzt vor.«
    »Dann schneidest du ihnen den Rückzug ab«, sagte Ron.
    »Rückzug? Ich sage dir, das sind ganz wenige. Außerdem, du hast recht: denen schneiden wir den Rückzug ab! Und nicht nur das … Von denen laß ich keinen mehr raus! Was hier geschieht, das werden sie nie mehr wiederholen!«
    Ron begegnete Tamas Blick. Er fand keine Antwort.
    Er dachte an die Frauen dort drüben in der Hütte. Und an die Handgranaten, die der Bursche mit dem roten Stirnband, ihr Anführer, mit sich herumschleppte.
    Gilbert hatte recht …
    ***
    Das Boot lag an der Westseite des Riffs, dort, wo die Lagune so schmal und so flach wurde, daß man sie zu Fuß durchwaten konnte und wo der Berg sich so steil und schroff ins Meer senkte, daß er das Mondlicht mit seinem großen, keilförmigen Schatten abfing.
    Der Mann am Ufer war nicht auszumachen, aber sie sahen in regelmäßigen Abständen den roten Lichtpunkt seiner Zigarette. Und sie sahen das Boot weiter draußen. Dieser längliche Schatten, der sich kaum von der Dunkelheit abhob, war wohl das Schiff, mit dem sie gekommen waren.
    Die Kalaschnikow in Rons Hand schien schwerer zu werden. Nutzlos war sie. Ein einziger Schuß – und vorne im Dorf würden die Handgranaten detonieren, die Maschinenpistolen loshämmern, das allgemeine Abschlachten beginnen.
    Und jetzt?
    »Gilbert?«
    Der Franzose gab einen Laut von sich – keine Antwort, nur ein mürrisches Knurren, das dann wie ein Seufzen verklang.
    Der Mond hing über dem Meer, weiß und vollkommen uninteressiert, die Lagune funkelte in seinem Licht, die Wellen rollten gegen das Riff, und das Rauschen, mit dem sie sich brachen, verebbte, kam wieder und wieder.
    So friedlich war alles, und ewig spielte sich

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