Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ihn hoch, und da stand Gilbert nun, schwarz, naß, selbst wie ein Teil des Felsens.
    Und dann kam die leise, fast gleichgültige Stimme, die für ihn so fremd klang, als habe er sie nie gehört:
    »Beinahe hätte er meine Brille erwischt. Hätte noch gefehlt … Jetzt wird's brandeilig, Junge. Wir müssen zum Dorf zurück. Weiß der Teufel, was diesen Verrückten noch so alles einfällt.«
    »Vielleicht wollen sie auf unsere Boote?«
    »Klar wollen sie das. Aber noch haben sie zu tun. Und wenn, nehmen sie ihr eigenes Dingi. Die suchen nicht nach unserem. Wenn sie jetzt schon kämen, hätten wir sie … Aber so einfach machen sie es uns nicht. Die sind noch dabei, das Dorf zu durchfilzen oder die Frauen zu schikanieren – wenn ihnen nicht noch was anderes einfällt! – Los, komm schon!«
    ***
    Sie liefen den Weg zurück, den sie gekommen waren. Tama wartete an der Stelle, an der sie sie verlassen hatten. Sie richtete sich hoch, Angst und Verzweiflung verzerrten ihr Gesicht: »Vorhin hat jemand geschrien – im Dorf. Es war so schrecklich. Und ich … ich muß immer an Lanei'ta denken …«
    Ihre Schwester war in ihrem Haus geblieben. Seit Jacks Tod nahm sie an keinem der Feste mehr teil. Außerdem hatte ihr Kind, der kleine Jacky, Fieber. »Sie sind noch im Dorf, glaub mir, laß uns auch dort hingehen. Und ganz leise bleiben, Tama.«
    »Und dann?«
    Ja, dann …
    Ron überlegte. Er hatte eine vage Vorstellung von dem, was nun kommen würde, er hatte sogar so etwas wie einen Plan. Wenn sie etwas verhindern mußten, war es, erkannt zu werden, ehe sie eine klare, saubere Schußmöglichkeit bekamen, denn darüber war er sich klar: Sobald sich die Killer der Gefahr bewußt wurden, würden sie entweder blind in die Menge feuern oder sich die Menschen als Geiseln nehmen. Die einzige Lösung, die ihm einfiel, war die, in Tápanas Haus einzudringen, um von innen, von dort, wo die Verbrecher es am wenigsten erwarteten, nämlich aus der Gruppe der Gefangenen heraus, das Feuer zu eröffnen.
    Er besprach es mit Gilbert.
    Descartes hob zur Bestätigung die Hand: »D'accord. Aber wenn noch einer rumläuft, von dem wir nichts wissen?«
    Darauf gab es keine Antwort.
    »Hilft alles nichts«, entschied Descartes. »Ein schlechter Plan ist besser als gar keiner. Wir müssen es probieren.«
    Doch dann, als sie den Rand der Palmenbepflanzung erreichten, hatte sich alles geändert. Schon der erste Blick bewies, daß keine Zeit mehr zur Verfügung stand, daß ihnen nichts blieb als zu handeln. Ron fühlte, wie sein Mund trocken wurde und wie in ihm etwas aufwuchs, etwas Dunkles, Schweres, das ihm den Atem abschnürte. Nein! dachte er. Nein! Diese Tiere, die Schweine …
    Sie hatten das Feuer vor Tápanas Haus wieder angeschürt, vielleicht hatten die anderen das auch für sie besorgen müssen. Doch nun loderten große, fast mannshohe Flammen hoch und erhellten die ganze Szene, den Platz, die Fales, die Menschen – wie in einer teuflisch-verrückten Theaterinszenierung.
    Der Anführer, der Malaie mit dem roten Stirnband stand beinahe in der Mitte des Platzes. Sie waren nicht mehr zu zweit – nun waren es drei. Einer, ein riesiger, barfüßiger Kerl in dreckigen weißen Jeans und einem grünen T-Shirt, stand vor Tápanas Fale und bewachte mit einer Waffe den Eingang. Und da war der dritte, der sich gerade bückte. Er beugte sich zu zwei kleinen gekrümmten, blutenden Kinderkörpern, die im Sand lagen.
    Es war Ron, als sei die Zeit außer Kraft gesetzt, als wäre der objektive Fluß der Sekunden durch etwas anderes ersetzt, das ihren Rhythmus fast zum Stillstand verlangsamte …
    Das Bild dort schien von den Rändern zu verblassen, nun sah er nichts mehr als diesen Mann und sein starres, stumpfes, gleichgültiges Gesicht ; sah nichts als einen nackten, dreckigen Männerfuß, dessen Zehen ein totes Kind in die Seite stießen, es zur Seite schoben wie ein Stück Holz, es zur Seite rollten – etwas, das ihm weniger wert schien als Holz, das nichts war, nichts als tote Materie, nichts als ein Kind mit durchschnittenem Hals …
    Er hörte sein Herz dröhnen. Von irgendwo, weit entfernt, kam ein Stöhnen. Es kam von Gilbert Descartes, und dann wieder das Wort: »Oradour …« Plötzlich begann die Waffe in seiner Hand zu tanzen.
    Wer als erster durchzog, ob Gilbert oder er – Ron wußte es nicht. Wahrscheinlich, so schien es ihm später, begann Descartes als erster zu feuern. Entscheidend aber blieb dieser überwältigende Eindruck der

Weitere Kostenlose Bücher