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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die im General-Store. Und: Was für'n Jammer um den Kerl …«
    »Stimmt«, sagte Descartes.
    »Na also. Jeder kennt ihn doch hier! Und jeder sagt das: Was für ein Jammer! Aber ich soll's ausbaden. Was hilft das mir? Gehen Sie ruhig rüber, Sie werden schon sehen …«
    Gilbert Descartes ging.
    ***
    Die Tür des Bungalows war mit grüner, abblätternder Farbe bedeckt. Ein Zettel war darauf angenagelt. Ein kariertes Blatt, das wohl aus einem Notizblock gerissen wurde. ›No entry‹ stand drauf. Kein Eintritt. Knapper konnte er es nicht bringen!
    Descartes klopfte.
    Keine Antwort, kein Ton, nichts, das verraten würde, daß es hinter der Tür jemanden gab, der sich bewegt, ja, auch nur geatmet hätte.
    Der Estrich des Vorplatzes war morsch und eines der Dielenbretter bereits durchgebrochen. Descartes ging um das kleine Haus herum zu dem offenen Fenster. Es gab einen Vorhang, doch Hendrik hatte ihn nicht zugezogen.
    Der Franzose schob den Kopf hinein. Der Raum hatte etwa drei bis vier Meter im Quadrat, und das größte Möbelstück darin war das Eisenbett in der gegenüberliegenden Ecke. Auf dem Bett lag eine fleckige Matratze, das dazugehörende Leintuch war ein zusammengeknülltes graues Häufchen am Boden.
    Auf der Matratze aber lag ein Mann.
    Hendrik Merz.
    Dr. Hendrik Merz trug nichts am Leib als einen knappen Slip. Lang und dünn hatte Gilbert ihn stets in Erinnerung gehabt, aber daß er so mager werden könnte, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen. Der Körper des jungen Arztes lag in einer sonderbar unbequem verrenkten Stellung, diagonal über dem Bett. Der Kopf schien am anderen Matratzenende über die Kante zu hängen, so daß von ihm nichts als ein mit struppigem Bart bewachsenes Kinn sichtbar war. Der Brustkorb, kantig wie der eines Skeletts, bildete über der Magensenke ein dunkles Schattendreieck. Die Beine wiederum waren leicht angezogen und seitlich gelagert, Beine, so mager, daß die Kniegelenke geradezu unförmig verdickt erschienen.
    Gilbert Descartes spürte, wie sich ihm das Herz zusammenzog. Du lieber Himmel! Wie ein Toter! Und womöglich … Nein, deutlich konnte er erkennen, wie das Zwerchfell arbeitete und den Bauch leicht anhob und wieder senkte.
    Er beugte sich vor: »Hendrik! Hendrik! Wach auf!« Er bekam keine Antwort. Nun hörte er das leise, röchelnde Atmen. Und noch etwas nahm er wahr: Einen schweren, säuerlichen, unangenehmen Geruch, der ihm aus dem Zimmer entgegenströmte.
    Der Fensterrahmen saß nicht allzu hoch. Er kam auch mit schmerzendem Knie ohne weiteres hinein. Als er sein Gewicht auf die Dielenbretter brachte, war ein knirschender, ächzender Laut zu vernehmen. Der Mann auf dem Bett röchelte und röchelte weiter. Er regte sich nicht.
    Auf dem Boden waren Kippen verstreut.
    Eine leere Whiskyflasche rollte weg, als er sie mit dem Fuß berührte. Die Blätter einer alten Ausgabe des ›Times-Magazins‹ waren im ganzen Zimmer verstreut. Und überall sah er Kippen und Brandlöcher. Der Geruch wurde stärker.
    Gilbert Descartes holte tief Luft und kämpfte nieder, was an Mitgefühl und Trauer in ihm hochkriechen wollte. Er beugte sich über das Bett, nahm diese Halbleiche an beiden Schultern und rückte sie sich erst mal zurecht.
    Hendrik Merz gab einen kurzen, verquollenen Laut von sich, der halb wie Stöhnen, halb wie Protest klang. Sein Mund stand weit offen. Und der dunkle Wirrbart, der ihn umrahmte, machte diesen Anblick noch schlimmer.
    Descartes überlegte. Eine Küche gab es nicht, aber eine der Ecken der Hütte war zu einer Art Notküche ausgebaut worden. Er konnte weder einen Wasserhahn noch einen Eimer entdecken. Immerhin stand auf dem Bord eine angebrochene, halbvolle Flasche Mineralwasser. Er nahm sie und stellte sie neben das Bett.
    Dann bückte er sich wieder, zog mit dem linken, mächtigen Arm Hendrik Merz' Kopf leicht an und gab ihm mit der rechten Hand zwei kräftige Ohrfeigen, wobei er darauf achtete, die Stärke des Schlags gerecht auf die rechte und die linke Wange zu verteilen. Sofort anschließend goß er ihm das Wasser über den Kopf.
    Hendrik Merz riß die Augen auf. Tief lagen sie in ihren Höhlen, über den Augäpfeln lag ein Schleier, der Gilbert Furcht einjagte und ihn überlegen ließ, ob es besser sei, die Prozedur zu wiederholen – oder ob er womöglich zu weit gegangen war. Doch dann wurde der Blick klarer …
    »Du?« flüsterte Hendrik Merz.
    »Ja.« Gilbert Descartes nickte.
    Hendrik Merz' rechter Arm kam hoch, es war eine rührende, fast

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