Das Ritterdrama von Schreckenstein
wie Raubvögel mit ihren Löffeln in den Pudding, lachten, schmatzten, kleckerten. Es war ein Fest!
„Schneller!“ Stephan tippte Dampfwalze an, als das angeknabberte Kaninchen oben bei Ottokar angelangt war. Der Muskelprotz zog an, die Musikanten spielten schneller, die Ritter johlten und löffelten, beugten sich dem enteilenden Pudding nach, denn wer jetzt nicht aufpasste, verfehlte den nächsten Bissen.
Technisch Begabte, wie Pummel, Eugen oder Werner, brachen aus dem vorbeiflitzenden Kaninchen ein Stück heraus und futterten es anschließend vom blanken Tisch. Schon kam der rollende Schwabbelturm wieder vorbei, niedriger diesmal, dafür um so schneller.
„Die Fressschlacht von Burg Schreckenstein!“ rief Beni.
Er hatte recht. Wie Schwerter sausten die Löffel bei immer schnellerer Fahrt kreuz und quer durch die Luft. Es klatschte und spritzte.
Der Rex hatte Eischaum auf dem Kopf, Mini-Ritter Egon wischte sich Schokolade aus dem Auge, Gießkanne schabte auf seiner Krawatte. Ostereier kullerten vom Wagen, wurden von den Rollschuhen überfahren, mit Löffeln und Händen vom Tisch gewischt, und schon ratterte das Puddingbrett wieder vorbei. Armin griff mit beiden Händen in die Reste und klatschte sie sich ins Gesicht, Ralph leckte an der Tischkante entlang. Umkommen ließen die Schreckensteiner nichts Essbares. Zu guter Letzt sprang der kleine Herbert auf die leere schmierige Puddingplatte, konnte sich bei dem Tempo aber nicht halten und rollte Dr. Waldmann auf den Schoß.
„Du Marzipanschwein!“ schimpfte der. Selbstverständlich nicht im Ernst.
„Schluss!“ rief Ottokar und hängte das Seil aus. Die Musik brach ab.
Erschöpft und verschmiert löffelten, schabten und leckten die Ritter Reste zusammen, wo immer sie sie fanden. Mit spitzen Fingern holte sich Eugen Eischnee vom Kopf des Rex und schob ihn in den Mund.
„Mathematisch hochinteressant!“ stellte der Rex gerade fest.
„Dass man mit fünf Eiern pro Mann so eine Schweinerei machen kann!“
„Das ist echte Kreativität!“ lästerte Dr. Schüler.
Schießbude sah die Sache einfacher. „Ferien und Quarantäne — da muss der Dampf irgendwo raus!“
Unbefleckt, aber zufrieden betrachteten die Verursacher das Schlachtfeld.
„Wisst ihr, wie ihr ausseht?“ fragte Hans-Jürgen. „Wie nach einem Festbankett im Säuglingsheim!“
Mit einem Mal war es still. Die Verschmierten sahen die Sauberen an, jetzt erst fiel ihnen der Unterschied auf. „Habt ihr eigentlich was davon gehabt?“ erkundigte sich Beni.
Dampfwalze fiel der Kiefer herunter. „Mann! Uns haben wir total vergessen!“
„Ja, richtig!“ bestätigte Klaus. „Lasst mal.“ Stephan grinste. „Dafür brauchen wir uns auch nicht zu waschen.“
Alter Schwung
Im Burghof, zwischen den Bäumen am Prinzengarten, auf dem Sportplatz zwischen den Standern der Hochsprunganlage waren Wäscheleinen gespannt. Auf ihnen hingen Hemden, Pullover, Hosen von Rittern und Lehrern, handgereinigt mit Bürste und Seife, wenn auch nicht immer mit Erfolg. Eine Gemeinschaft in Quarantäne muss sich selber helfen. Auch bei zähesten Spuren einer Fressschlacht kann sie nichts hinaus in eine Wäscherei geben.
Auf der Balustrade der Freitreppe lag eine frisch gescheuerte, runde Tischplatte in der Sonne, und im Esssaal herrschte Durchzug, um Tische und Boden nach dem feuchten Aufwischen schneller trocknen zu lassen.
Mit leerem Blick, wiederkäuenden Kühen nicht unähnlich, standen und saßen überall Ritter herum, lagen auf ihren Betten oder hingen aus den Fenstern. Der Dampf war abgeblasen. So hatte es Schießbude, der jüngste Lehrer, ausgedrückt. Die große Ruhe nach dem Sturm nistete in dem alten Gemäuer. Auf der Freitreppe hockte eine Gruppe.
„Komm, gehen wir trainieren“, Dampfwalze stieß Stephan an.
„Keine Lust“, antwortete der.
„Ich eigentlich auch nicht“, meinte der Muskelprotz.
Und Ottokar stöhnte: „Mann, ist das langweilig!“
Ähnlich äußerten sich auch andere Ritter, sofern sie nicht zu faul waren, den Mund überhaupt aufzumachen. Nicht der geheimnisvolle Virus, sondern der Müdigkeitsbazillus hatte die Burg ergriffen. Oder begann so die tückische Krankheit? Wohl kaum, denn im Westflügel gab es vier Ausnahmen. Die Minis lagen zwar auf ihren Betten, doch die Art und Weise, wie sie miteinander sprachen, hätte jeden Eintretenden stutzig gemacht.
Aber es kam ja niemand.
„Nein, Ahnfried!“ tönte der kleine Egon. „Dies ist Schreckenstein,
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