Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
diese Einstellung bereits aktiv war. Ohnehin boten versteckte Dateien keinen besonderen Schutz, jeder, der sich ein bisschen auskannte, konnte sie mit ein paar Mausklicks sichtbar machen, so wie Lea das gerade hatte tun wollen.
„Sackgasse. So eine dreimal verfluchte gequirlte Schei---“
„Lea!“
„Weißt du ein besseres Wort? Wir kommen kein Stück weiter! Papa ist längst auf dem Weg nach Prag, wenn er nicht sogar schon dort ist! Und was mache ich? Ich klicke mich wild durch irgendwelche Einstellungen und probiere überall mal rum, wie ein Angler, der keinen Köder hat und trotzdem die Rute auswirft – in der Hoffnung, dass der Fisch zufällig an genau der Stelle zubeißt, wo sein Angelhaken liegt. Blind und unsystematisch!“
Irgendetwas regte sich in ihrer Erinnerung. Etwas, das eine Bedeutung hatte. Wodurch war dieses Gefühl ausgelöst worden? Ein Wort, das sie gesagt hatte ... Angelhaken? Blind?
Unsystematisch? System?
Systemdatei!
Bitte lasst alle Einstellungen so, wie sie sind. Insbesondere sollte das Häkchen bei „Geschützte Systemdateien ausblenden“ immer gesetzt sein, sonst kann ich euch jede Woche sämtliche Betriebssysteme neu installieren, wenn ihr euch mit den Systemdateien anlegt ...
Grams' Stimme klang in ihren Ohren, als ob er neben ihr stünde.
Systemdateien. Das waren diejenigen, die Windows selbst brauchte, um überhaupt arbeiten zu können, und die daher für Schüler tabu waren. Selbst wenn man versteckte Dateien anzeigen ließ, waren Systemdateien immer noch unsichtbar, weil man sie nur mit dem von Grams genannten „Häkchen“ ansehen konnte.
Brachte sie diese Erkenntnis weiter? Sie suchte ja keine Systemdateien, sondern die Codes ihres Vaters.
Aber woran erkannte der Computer eigentlich eine Systemdatei?
Gab es vielleicht eine Möglichkeit, ihm weiszumachen, dass es sich bei einigen selbst erstellten Dateien um Systemdateien handelte?
Es gab eine einfache Möglichkeit, das herauszufinden.
Sie ließ sich noch einmal die Einstellungen anzeigen, mit denen sie die versteckten Dateien hatte sichtbar machen wollen. Etwas weiter oberhalb stand zu lesen: „Geschützte Systemdateien ausblenden (empfohlen).“ In dem Kästchen neben dem Schriftzug leuchtete ein giftgrüner Haken zum Zeichen, dass diese Einstellung aktiviert war.
„Ich hab dir gesagt, ich krieg dich“, murmelte sie triumphierend und klickte den Haken weg. Ein Warnhinweis malte ihr in den schlimmsten Farben aus, was alles passieren konnte, wenn sie wirklich fortfahren würde. Ob sie denn sicher sei?
„Ja“, klickte sie.
Der Ordner, der die Quelltexte ihres Vaters enthielt, schien einen Moment lang zu zittern, als sich die Bildschirmanzeige neu aufbaute.
Zwischen den Dateien
grafiken.pas
und
iris.pas
erschien ein neuer Eintrag.
„Der alte Schweinehund!“ Lea schlug die Hände zusammen. „Das hat er von den Spammern! Sieh dir das an!“
Die neue Datei hieß
h1ntertuer.pas
.
„Ja und?“
„Er hat statt des Buchstabens i eine Eins geschrieben, damit der Begriff 'Hintertür' in seinem Programm nicht auftaucht ... falls mal jemand wie ich danach suchen sollte. Das ist ein beliebter Trick bei Spammern, also Leuten, die dich mit bescheuerter Werbung überfluten. Spammer vermeiden alle Wörter, die dazu führen könnten, dass man ihre E-Mails automatisch löschen lässt, zum Beispiel solche Wörter wie ... äh ...“
Lea errötete und brach den Satz ab.
„Also, jedenfalls ... ist das hier der Geheimgang, den wir suchen“, schloss sie verlegen.
Sie öffnete die Datei.
„Und hier ist auch der Grund, warum ich nirgendwo eine Zeile gefunden habe, in der diese Unit aufgerufen wird“, erklärte sie und deutete mit dem Finger auf ein kleines Uhrensymbol.
„Was ist das?“
„Ein Timer“, fuhr sie fort, während sie schon dabei war, die Programmzeilen durchzusehen, die so unverhofft aufgetaucht waren, „eine Komponente, die dafür sorgt, dass dieser Teil des Programms automatisch alle ... Moment ... alle dreißig Sekunden aufgerufen wird. Und zwar ohne dass im Rest des Programms irgendein Hinweis darauf steht.“
„Das klingt höllisch kompliziert.“
„Stell es dir so vor: Normalerweise wird ein Programm Zeile für Zeile abgearbeitet, wie eine Spielfigur, die immer ein Feld vor rückt. Aber sobald der Timer läuft, wird alle dreißig Sekunden der normale Programmfluss unterbrochen. Die Figur wird vom Feld genommen und woanders hingesetzt, und erst wenn sie dort durchgelaufen ist,
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