Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
hatte.
Seufzend ließ sie die Pistole wieder sinken.
„Ich glaube, ich bin etwas nervös“, sagte sie leise.
Die beiden weiteren Türen führten zu ähnlichen Schlafzimmern, jedes mit einem breiten, weichen Himmelbett ausgerüstet und ebenso leer wie das erste.
„Das sieht alles so normal aus, dass es glatt unseren Nachbarn gehören könnte“, staunte Bülent.
„Bis auf die Waffensammlung. Oder was für Nachbarn habt ihr?“
„Zugegeben. Aber es ist echt unvampirisch hier, findest du nicht? Keine Särge, keine Blutsauger, keine Grusel-Atmo. Ich hatte mir das Haus irgendwie ... unheimlicher vorgestellt.“
„Ich finde all das hier viel unheimlicher als einen Raum voller Särge. Wenn dieses Haus glatt unseren Nachbarn gehören könnte, wer weiß dann schon, was sich in Wirklichkeit hinter dem Haus seines Nachbarn verbirgt?“
„Da hast du recht. Außerdem werde ich das Gefühl nicht los, die wissen in Wirklichkeit ganz genau, dass wir hier sind, und spielen jetzt ein bisschen Katz und Maus mit uns, bevor sie sich mit einem Mal von allen Seiten auf uns stürzen. Warum sollte hier sonst alles wie ausgestorben sein?“
Lea antwortete nicht, und so gingen sie wortlos zurück zum Eingang. Dort gab es neben dem Korridor, durch den sie gekommen waren, noch ein Treppenhaus, dessen Stufen nach oben und unten führten.
„Ich möchte wetten, dass man solche Rituale im Keller durchführt“, wisperte Bülent.
„Aber warum? Damit die Nachbarn nichts merken?“
Bülent unterdrückte ein Lachen. „Nette Vorstellung: Entschuldigen Sie, Frau Zimmer, was sind das eigentlich immer für schreiende Gefangene, die bei Ihnen in der Küche gefoltert werden? Ach, wissen Sie, Frau Meier, das sind nur der Staubsaugervertreter und ...“
Er verstummte, und sein Lächeln erstarb, als er Leas tränenverhangenen Blick bemerkte.
„Tut mir leid“, flüsterte er betreten.
Ohne ein Wort zu sagen, stürmte Lea die Kellertreppe hinunter, und er musste sich beeilen, um hinterherzukommen.
80. Kapitel
Auch hier unten waren die Wände mit brennenden Fackeln geschmückt.
Leas Finger am Abzug der Wasserpistole zitterte. Hatte sie ein Geräusch gehört? Vom Treppenhaus führten vier Türen in verschiedene Kellerräume. Hinter jeder konnte ihr Vater versteckt sein, oder auch der sichere Tod.
Mit dem Fuß trat sie die Klinke der ersten Tür herunter und schoss sofort hinein.
Dann sah sie sich um. Der klamme Raum mit den moosbewachsenen Wänden enthielt sechs fein säuberlich in einer Reihe aufgestellte Holzsärge. Alle standen offen und enthielten – nichts.
„Zufrieden?“, fragte Lea leise, als Bülent hereinkam.
Er zuckte die Schultern. „Wenigstens wissen wir jetzt, dass wir uns nicht in der Hausnummer geirrt haben.“
Der nächste Raum entpuppte sich als Heizungskeller, danach folgten zwei kleine Abstellkammern. In ihnen fanden sich zwischen leeren Leitz-Ordnern und einer ausrangierten Matratze auch ein menschlicher Schädelknochen und ein Rollkragenpullover, dessen Kragen an einer bestimmten Stelle merkwürdig zerfetzt aussah.
„Ich möchte nicht wissen, wer das mal war“, sinnierte Lea mit Blick auf den Schädel, „mein Vater kann es jedenfalls nicht sein, er wäre ...“ Sie zögerte.
Bülent unterdrückte den Impuls, ihren Satz zu vervollständigen: Ihr Vater würde zu Asche zerfallen, wenn er starb. Das jedenfalls hatten sie in den Schriften der Pia von Caldern gelesen.
Er legte kurz die Hand auf Leas Schulter, zog sie aber gleich wieder zurück, unsicher, welche Geste angemessen war.
Sie nickte ihm mit ernster Miene zu, und gemeinsam gingen sie wieder zurück nach oben.
Es blieb nur noch ein Weg, den sie noch nicht gegangen waren: die Treppe hinauf in die beiden oberen Stockwerke.
Langsam schlichen sie am Geländer entlang, bis sie im ersten Stock wieder auf einen der nun schon bekannten Korridore trafen. Sie stießen Türen auf, verspritzten ihre Säure, aber jedes Mal ätzten sich die Löcher in leere Sessel oder unbenutzte Sofas. Sie fanden eine große Bibliothek, einen Saal mit den exotischsten Pflanzen, eine Art Bar, jedoch ohne den üblichen Flaschenvorrat, und sogar eine Toilette. Aber keine Vampire.
Der letzte Raum dieses Stockwerks war der merkwürdigste. Mindestens fünfzig Spiegel standen kreuz und quer darin, große und kleine, prächtige und unscheinbare. Der größte von ihnen maß fast drei Meter und war von einem kunstvoll geschnitzten schwarzen Holzrahmen umgeben. Er
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