Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
doch? Dann sind wir so schlau wie vorher.“
„Immer noch besser, als sie jetzt sofort zu töten, wo sie doch wahrscheinlich nur eine ganz normale Katze ist. Gib ihr wenigstens diese eine Chance, bevor du die Todesstrafe auf Verdacht verhängst.“
Lea stieg die Treppe hinab und bemühte sich, besonders fest aufzutreten und ein finsteres Gesicht zu zeigen. Tatsächlich schreckte die Tigerkatze bald vor ihr zurück und rannte den Flur entlang auf den Spiegelsaal zu.
„Glück muss man haben“, rief Lea und lief hinterher.
Das Tier schien sie am Eingang des Saales zu erwarten. Lea näherte sich ihm nun sehr vorsichtig und murmelte beruhigende Worte, während sie die Tür öffnete. Sofort huschte die Katze ins Innere, Lea und Bülent folgten.
„Das gefällt mir alles nicht“, brummte Bülent, „das war irgendwie zu einfach.“
Die Katze saß vor dem riesigen Spiegel mit dem geschnitzten Rahmen. Sie sah die beiden Menschen, die ihr folgten, abschätzig an und blieb immer noch ruhig und entspannt sitzen, als die zwei sich hinter sie stellten und das erste Mal in den großen Spiegel blickten.
Erst als Bülent und Lea zu schreien anfingen, flitzte sie zurück in den Korridor und war verschwunden.
Immer noch in Panik und Entsetzen schreiend, hasteten die beiden Sekunden später hinterher und schlugen die Tür hinter sich zu.
Lange Zeit standen sie dort und lauschten nach drinnen, aber nichts war zu hören. Auch die Katze ließ sich nicht wieder sehen.
„Hast du auch gesehen, was ich gesehen habe?“, fragte Bülent schließlich.
Lea nickte stumm.
Die Katze war die Einzige von ihnen gewesen, deren Bild tatsächlich in dem Spiegel erschienen war.
„Und was heißt das jetzt? Sind wir jetzt auch Vampire? Nur weil wir hier in diesem Haus herumgelaufen sind?“
„Ich weiß es nicht“, erwiderte sie kopfschüttelnd.
„Wir müssen nochmal rein. Wir müssen herausfinden, was da los ist. Ob wir in den anderen Spiegeln auch nicht auftauchen. Um ehrlich zu sein, ich war so geschockt, dass ich dir das jetzt gar nicht sagen könnte.“
„Geht mir genauso. Aber ich weiß nicht, ob ich da noch einmal hineingehen kann. Ich hatte vorhin schon so ein unheimliches Gefühl, als wir dort waren. Und dann das ...“
„Wenn wir wirklich zu Vampiren werden, nutzt es uns auch nichts, wenn wir hier untätig herumstehen.“ Wütend stieß Bülent die Tür wieder auf und betrat den Spiegelsaal.
Dutzendfach sahen sie in ihre eigenen Augen, sahen ihre eigenen Körper, so als ob nie etwas Ungewöhnliches geschehen wäre.
Langsam näherten sie sich dem großen Spiegel mit dem Holzrahmen.
Er blieb leer.
Bülent knuffte Lea in die Seite. „Erklär mal!“
Sie zuckte die Schultern. „Bin völlig ratlos. Aber dass wir Vampire geworden sind, glaube ich nicht. Die anderen Spiegel sind ganz normal. Wir haben auch keine Reißzähne bekommen. Es scheint eher so zu sein, dass ... dieser Spiegel keine Menschen zeigt. Vielleicht ja auch keine Vampire, wer weiß. Auf jeden Fall liegt es am Zauber des Spiegels, nicht daran, ob man ein Vampir ist.“
Bülent überlegte. „Wenn er Menschen nicht zeigt ... glaubst du, er tut etwas anderes mit ihnen? Mit uns?“
„Worauf willst du hinaus?“
„Na ja, in einem PC-Spiel würde ich eins meiner Leben verwetten, dass du nicht einfach gegen Glas greifst, wenn du diesen Spiegel berührst. Es wäre mindestens ein Punktebonus drin, aber viel eher noch wäre das Ding ein Dimensionstor, das uns in den nächsten Level bringt.“
„Vergiss bitte einmal im Leben deine Computerspiele! Ich sehe doch mit eigenen Augen, dass die Oberfläche solide ist. Es liegt sogar etwas Staub darauf, schau!“
Lea streckte den kleinen Finger ihrer rechten Hand aus, berührte damit den Spiegel und verschwand.
Sie wurde nicht etwa einfach unsichtbar, sondern schien durch den Spiegel angesaugt zu werden wie durch einen überdimensionalen Staubsauger. In Sekundenbruchteilen war nichts mehr von ihr zu sehen.
Bülent starrte mit offenem Mund auf die leere Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte.
81. Kapitel
„Wunderbar. Exquisit. Und wie jung und frisch. Ich dachte schon, Mylady hätte uns vergessen.“
Bevor Lea reagieren konnte, rissen ihr zwei starke Hände die Waffe aus der Hand. Entsetzt sah sie sich um. Bülent, die Spiegel, der ganze Raum war verschwunden, stattdessen fand sie sich in einer fensterlosen Kammer wieder, deren Wände aus roh behauenem Stein bestanden und dadurch sehr unterirdisch
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