Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Max wieder ein. Max und Maximilian, die ein und dieselbe Person sind.
Und mehr noch. Mir fiel ein, was ich für dich sein muss!
Es ist offensichtlich, nicht wahr? Ich habe weder Geschwister noch Cousins oder Cousinen. Ich bin die Steigerung eines Einzelkindes.
Ich bin dein letzter lebender Nachkomme, der selbst noch Kinder haben kann.
Deine letzte Fahrkarte in Richtung Zukunft. Wenn ich tot bin und keine Kinder habe, wirst auch du aufhören zu existieren.
Also wirst du nicht nur darauf verzichten, mich zu töten.
Du wirst dafür Sorge tragen, dass mir nichts zustößt.
So wie du es seit über vierhundert Jahren für deine Familie und deine Nachkommen tust.
Es ist kein Zufall, dass es unsere Familie kurz vor meiner Geburt nach Prag verschlug, nicht wahr? Du wolltest uns im Auge behalten. Du ließest uns beobachten und wolltest genaueste Berichte, wie die kleine Lea heranwuchs, die Letzte ihrer Art.
Seit ich denken kann, hatte ich immer wieder dieses Gefühl, beobachtet zu werden, als ob mir jemand folgte. Es hatte nichts Bedrohliches, es gehörte einfach dazu.
Aber es war mehr als ein Gefühl, nicht wahr? Es waren deine Leute, deine sterblichen Helfershelfer, die mich am Tage beschatten sollten, um dir in der Nacht Bericht zu erstatten. Es ist diese letzte Imitation eines menschlichen Gefühls, des Gefühls für deine Familie, an die du dich klammerst, um nicht vollends dem Dämon in dir zu verfallen und zu einem vernunftlosen Raubtier zu werden.“
„Wenn du dir das alles so wunderbar zurechtgelegt hast“, entgegnete Elisa kalt, „dann wirst du mir sicher auch erklären können, warum Julio noch kein 'vernunftloses Raubtier' geworden ist? Er hat keine sterblichen Angehörigen mehr – und ganz sicher keine Sentimentalitäten gegenüber der menschlichen Art.“
„Sicher. Ich werde dir das ausführlich erklären. Wir werden eine hochinteressante Konversation haben. Und plötzlich ist das Ritual vollendet, und alles war umsonst. Mit Verlaub, Elsa, liebe Urgroßmutter, da spiele ich nicht mit. Du lässt mich jetzt sofort vorbei.“
„Warum sollte ich? Selbst wenn du recht hättest, kann ich dich jederzeit fesseln und einsperren, bis das Ritual vorüber ist.“
„Das wirst du nicht tun. Sieh mich an. Dein Handlanger hat das aus mir gemacht. Du weißt selbst, wie ich darauf reagiere, wenn ich mich nicht mehr ungehindert bewegen kann. Ich hatte allein heute schon drei phobische Anfälle, und jeder bringt mich dichter an den Rand des Wahnsinns. Wenn du mich fesselst oder sonstwie festhältst, wirst du mich endgültig über diesen Rand stoßen. Und dann war es das gewesen mit dem letzten Spross der Familie Zimmer!“
„Für eine Sterbliche am Rande des Wahnsinns hast du deine Argumentation in bewundernswerter Klarheit beieinander. So einfach wirst du nicht den Verstand verlieren!“
„Probier es doch aus. Los, fessle mich. Jetzt und hier. Halt mich auf. Sperr mich weg. Aber ich warne dich: Du hast nur einen einzigen Versuch! Kein Savegame. Kein Neustart. Entweder du behältst recht, oder ...“
Eine Minute oder länger standen die beiden sich wortlos gegenüber.
Schließlich stieß Elisa kaum vernehmlich hervor: „Dann geh.“
Lea starrte sie an. Sie hatte es geschafft. Sie war am Ziel. Ihr Vater war nur noch ein paar Schritte entfernt, sie konnte zu ihm gehen und ihn heimholen.
Sie machte einen Schritt nach vorn und stieß gegen Elisas Körper, der sich plötzlich direkt vor ihr befand.
Dann ging sie einen Schritt zurück. Elisa hinderte sie nicht.
Sie lief zur Seite und wurde nicht aufgehalten.
Aber jedes Mal, wenn sie einen Schritt in Richtung des Steges unternahm, der zur Insel führte, stand Elisa plötzlich direkt vor ihr.
Ein Lächeln umspielte Elisas Gesicht.
„Siehst du nun ein, dass du nicht gewinnen kannst? Sieh her. Ich schränke dich keineswegs in deiner Bewegungsfreiheit ein. Du kannst überall hin, nur nicht in diese eine Richtung! Du wirst nicht gleich wahnsinnig, wenn du mal vor einer verschlossenen Tür stehst, oder?“
Lea funkelte sie böse an. „Du bist zu lange draußen, Elsa“, zischte sie, „du weißt nicht, was das heißt: Liebe. Das kennst du nicht mehr. Auch wenn du dir einbildest, dass dich Gefühle an deine Familie binden. Es sind keine Gefühle. Es ist eine schäbige, grau verschleierte Kopie davon.
Es hat dich völlig überrascht, dass mein Vater und ich dir so in die Parade gefahren sind, nicht wahr? Du hast gedacht, du machst ihn zum Vampir, und alle
Weitere Kostenlose Bücher