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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Balzter
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hatte ... das sollte ihr Meisterstück werden. In ihrem Kopf rollten schon die Formeln hin und her, die sie brauchen würde, um die Bahnen der einzelnen Raketen und die schillernden Explosionen auf dem Bildschirm zu berechnen – sie hatten solche Flugbahnen glücklicherweise erst vor kurzem in Physik behandelt.
    Ja, ihr Vater würde tot umfallen vor Stolz!

9. Kapitel
     
    Während sich in fünfhundert Kilometern Entfernung eine großgewachsene Gestalt in weitem Mantel auf Hans Leonardts nahenden Tod freute, plagte den Programmierer das schlechte Gewissen.
    Welckers Frage nach dem Umgang seiner Tochter hatte ihn mit der Nase darauf gestoßen, dass er von diesem Umgang nicht mehr allzu viel wusste. Er hatte mal eine Lucy kennengelernt, die ihn mit dunklem Lippenstift und löchrigen schwarzen Netzstrümpfen unter dem kurzen Rock sehr an die Gruftis seiner eigenen Jugend erinnerte, aber dazu ganz unpassend blonde Haare hatte und außerdem andauernd etwas von Punk erzählte – das ging heutzutage so durcheinander, wer sollte da den Überblick behalten? Immerhin schien sie ganz nett zu sein, trotz ihrer provozierenden Fassade.
    Aber er hatte keine Ahnung, mit wem Lea sonst noch ihre Zeit verbrachte, und das ärgerte ihn. Vielleicht arbeitete er tatsächlich zu viel? Aber wie sollte er weniger arbeiten? Wenn er auch nur ein bisschen kürzer trat, hatte er die Nase nicht mehr vorn. Die Frage war nicht wirklich, wie gut man war. Die Frage war, an wen dachten die Leute zuerst, wenn sie Bedarf an etwas hatten? Im Augenblick war die glückliche Situation, dass man an ihn dachte, wenn man das benötigte, was er selbst manchmal scherzhaft als „Hausfrauensoftware“ bezeichnete – standesbewusstere Kollegen nannten es lieber „Ubiquitous Computing“ und meinten damit, dass Computer in Zukunft ubiquitär, also überall im Haushalt zu finden sein würden.
    Und vielleicht zahlte sich dieser Ruf jetzt endlich aus. Mit dem Anruf aus Prag schien der Große Auftrag, auf den er seit Jahren wartete, in erreichbare Nähe gerückt zu sein. Ironie des Schicksals, ausgerechnet Prag, in dem er so viele Jahre als Korrespondent gelebt hatte, nun zog es ihn also wieder zu sich. Das alte, heimgesuchte Prag, dessen dunkle Gassen tief in der Nacht von unsichtbaren Wesen durchstreift zu werden schienen, diese Stadt, die einem allein durch ihre Gemäuer und Geschichten einen Schauer über den Rücken jagen konnte. Sicher war es kein Zufall, dass diese Prager Geschäftsleute ausgerechnet eine Sonnenallergie entwickelten, die Stadt schien die Finsternis ja förmlich anzuziehen. Wie gut, dass der Grusel nur der überschäumenden Phantasie der Menschen entsprang, sonst hätte man es fast mit der Angst zu tun bekommen können.
     
    Sein schlechtes Gewissen zwang Hans, alle Programme zu speichern und zu schließen, den Computer auszuschalten und die Treppe hinunter zum Zimmer seiner Tochter zu gehen. Er klopfte an, hörte nichts und fragte leise hinein: „Lea?“ Erst jetzt sah er auf die Uhr. Schon wieder nach zehn Uhr abends? Unglaublich. Es kam ihm vor, als hätte er sich eben erst an den Computer gesetzt. Ob Lea schon schlief?
    Im selben Moment öffnete sich die Tür. „Papa?“ Die Ungläubigkeit in dieser Frage schmerzte ihn.
    „Ich dachte, ich schau mal rein“, flüsterte er. Valeska war sicher schon zu Bett gegangen, er wollte sie nicht wecken.
    „Komm rein“, antwortete sie, „ich bin gerade beim Arbeiten.“
    Er betrat das Zimmer, das – wie ihm auffiel – immer weniger Ähnlichkeit mit einem Kinderzimmer hatte. Das Poster mit den verträumten Sternenfotos vom Hubble-Teleskop und das Foto von Charlie Chaplin, den sie als Kind sehr verehrt hatte, waren die einzigen Objekte, die schon seit Jahren dort hingen. Die anderen Bilder zeigten Musikgruppen, die er nicht kannte, und Motive aus Filmen, die er nicht gesehen hatte. „Du bist beim was ?“, fragte er ungläubig.
    „Projektwoche“, trumpfte Lea auf. „Ich schreibe ein Quizprogramm. Soll ich dir's mal zeigen?“
    „Klar doch.“ Hans war erleichtert. Er hatte Angst gehabt, dass es kompliziert werden könnte, überhaupt zu seiner Tochter Kontakt aufzunehmen, und war froh, dass sie ihm ein Thema vorgab – und dann auch noch eines, das ihm so sehr entgegen kam.
    Auf dem Bildschirm erschienen bereits die ersten Fragen, dazu erklang laute Rockmusik.
    „Ungewöhnlicher Soundtrack für ein Quiz“, meinte Hans, der die aggressiven Töne für den nachdenklichen Anlass

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