Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
hatte. Danach hatte er dann seine Blicke auf ihre Beine verlagert. Er versuchte es immer zu verbergen, indem er nur aus den Augenwinkeln schaute oder den Kopf in die Hände stützte, aber anscheinend war er in Heimlichtuerei nicht ganz so tüchtig wie der Rest der Gang, seine Blicke waren jedenfalls penetrant und offensichtlich, und Lea war der Spaß am Verkleiden gründlich vergangen.
Am späteren Nachmittag war dann Bülent mit einer Handvoll seiner Groupies aus der siebten Klasse erschienen, die an seinem Rockzipfel hingen und ihn obercool fanden, weil er ihnen mal eine richtige Pistole gezeigt hatte. Während er sich noch setzte, war Lea aufgestanden und gegangen.
Während sie den Nachmittag Revue passieren ließ, flocht sie Lucys Zöpfe wieder auf und versuchte sich den Kajal abzuwischen, was sich als unerwartet langwierige Aufgabe herausstellte.
„Befürchtest du, dass du nicht lässig genug wirkst?“, hörte sie ihre Mutter im Flur. Sie schien mit ihrem Vater zu reden, und Lea hielt sofort inne und lauschte durch ihre Zimmertür nach draußen. Vielleicht ergab das Gespräch ja einen Hinweis auf die Ursache der Seltsamkeiten, die sich hier abspielten?
„Was meinst du?“, entgegnete verwirrt ihr Vater, der den Geräuschen nach zu urteilen gerade die Treppe herunterkam.
„Deine Sonnenbrille.“
Lea sah kurz durchs Fenster. Die Sonne war eben untergegangen.
„Gefällt sie dir nicht?“
„Darum geht es nicht. Aber sie hat ein Jahr lang in der Schublade gelegen, und plötzlich ist sie wieder da. Und das am Abend.“
„Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.“
Eine kurze Pause trat ein, Lea konnte Valeskas traurig-fürsorglichen Mutterblick förmlich sehen, als sie fortfuhr: „Du hast dich verändert, Hans. Ich mache mir Sorgen.“
Die Lauscherin sog zischend die Luft ein, ihre Augen weiteten sich staunend. Verändert! Sorgen! Dann war es keine Einbildung gewesen! Ihre Mutter hatte auch etwas gemerkt! Aber was? Was?
„Was soll denn mit mir los sein?“
„Hat sie dir gesagt, dass du mit Sonnenbrille besser aussiehst?“
„Sie? Wer?“
„Falsche Antwort, Hans. Du weißt, von wem ich rede.“
„Etwa Elisa?“
„Ihr seid also schon beim Vornamen. Prächtig. Ich hoffe, du amüsierst dich gut bei deinem Großen Auftrag.“
„Les, das ist lächerlich.“
„Bitte nenn mich nicht so. Nicht, wenn du es nicht wirklich meinst.“
„Aber ich nenne sie nur bei ihrem Vornamen, weil ihr spanischer Diener das auch tut. Er sagt immer nur Doña Elisa zu ihr. Ihren Nachnamen weiß ich gar nicht auswendig, er steht auf dem Vertrag, auch irgendetwas mit E.“
„Ein Stabreim im Namen. Wie hübsch. Dir gefällt ja so was.“
Hans stöhnte. „Gehen wir lieber in die Küche, wenn du weiter so reden willst.“
„Bist du dort denn ehrlicher zu mir?“
„Zumindest muss ich mir dort keine Sorgen machen, dass unsere Tochter deine absolut indiskutablen Verdächtigungen mitbekommt und verunsichert wird.“
„Gut. Gehen wir.“
Lea fluchte leise. Wenn sie wissen wollte, was hier gespielt wurde, musste sie dieses Gespräch zu Ende hören! Sie wartete eine Weile, bis sie sicher war, dass die beiden in der Küche saßen, dann schlich sie aus ihrem Zimmer und arbeitete sich auf Zehenspitzen bis zur Küchentür vor.
Gerade als sie ihr Ohr an das Holz legen wollte, hörte sie drinnen ihren Vater laut sagen: „Wir reden ein anderes Mal weiter, Valeska.“
„Der Teufel sei verflucht!“, stieß sie leise hervor. War das Zufall? Er konnte sie unmöglich gehört haben, sie war barfuß, der Flur mit Teppichboden ausgelegt, die Tür fest geschlossen, und in der Küche lief sogar noch das Radio!
Schnell tat sie zwei Schritte rückwärts, um in unverdächtiger Entfernung zu sein, als sich wenig später die Küchentür öffnete. Ihr Vater trug immer noch die Sonnenbrille. Angesichts des fortschreitenden Abends hatte es eigentlich etwas Lächerliches an sich, aber er wirkte ganz und gar nicht lächerlich. Er wirkte grimmig und entschlossen. Richtig trotzig, dachte Lea und erinnerte sich an ihre Konfrontation mit Herrn Hußmann vor ein paar Wochen, die mit ihrer ersten Fünf in Deutsch geendet hatte. Damals musste sie genau dieselbe Miene aufgesetzt haben, als sie ihm erklären wollte, warum Vampirgeschichten das gleiche waren wie Urlaubserinnerungen.
Letzten Endes war er eben doch ihr Vater, und sie liebte ihn dafür. Aber etwas stimmte nicht. Etwas lief grässlich verkehrt, und sie wusste nicht was.
Aber sie
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