Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
würde es herausfinden!
Als ihr Vater das Haus verlassen hatte und ihre Mutter sich ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte, schlich sie sich auf Zehenspitzen ins obere Stockwerk. Sie öffnete die Bürotür, setzte sich auf den blau gepolsterten ergonomischen Schreibtischstuhl und schaltete den Computer ein.
Sie hätte nicht einmal schleichen müssen, immerhin durfte sie ja ganz offiziell gelegentlich an diesen Rechner. Aber jetzt, wo sie einen eigenen in ihrem Zimmer stehen hatte, hätte es vielleicht doch seltsam ausgesehen. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass ihr das Bewusstsein über ihr verbotenes Tun mitten ins Gesicht geschrieben stand.
Der Anmeldebildschirm erschien. Sie zögerte einen Moment. Dann wählte sie als Benutzername nicht Lea , sondern Hans .
Wenn er ihr nicht sagen wollte, was mit ihm los war, vielleicht gab es in seinen Programmen einen Hinweis darauf. Ihre Mutter schien immerhin auch zu glauben, dass es etwas mit seinen neuen Geschäftspartnern zu tun hatte.
Der Computer fragte nach einem Passwort für das Benutzerkonto Hans . Lea fluchte innerlich. Ein Passwort für die eigene Familie? Vertraute er ihr denn nicht?
Sie dachte kurz nach und erinnerte sich daran, wie er in ihr Zimmer gekommen war und ihr beim Programmieren der Quiz Show geholfen hatte.
... und dann muss man noch, sagen wir, Valeskas Geburtsdatum eingeben ...
Sie tippte die Ziffern „1505“ in das Eingabefeld. Eine kleine Fanfare verkündete den erfolgreichen Start, und Lea wischte sich erleichtert ein paar Schweißperlen von der Stirn.
Dann ging sie zum Regal, holte eine unbespielte CD heraus (dort standen noch mehrere Zehnerpackungen, wenn eine fehlte, würde es ja wohl nicht auffallen) und legte sie in das Laufwerk ein.
Start. Alle Programme. MultiMedia. Nero. So hieß ein Programm zum Brennen einer CD-ROM, weil „Burning ROM“ fast so klang wie „Burning Rome“. Die Computerwelt war voll von solchen Kalauern.
Fünf Minuten später hatte sie sieben Verzeichnisse mit insgesamt 589 Megabyte auf die kleine schillernde Scheibe kopiert. Sie hatte keine Zeit, nach den richtigen Dateien zu suchen (und nach welchen Kriterien hätte sie auch suchen sollen?), also hatte sie einfach die Verzeichnisse herausgesucht, in denen sich kürzlich veränderte Dateien befanden. Sorgfältig schloss sie alle Programme wieder und fuhr den Rechner herunter. Mit der Beute in der Hand lief sie eilig in ihr Zimmer zurück.
Sie würde ihm schon noch auf die Spur kommen!
15. Kapitel
„Vielleicht kann uns Lea weiterhelfen.“
„Was?“ Erschrocken zuckte sie zusammen und sah sich um. Fünfundzwanzig Gesichter starrten sie an. Einige lachten.
„Ich sagte, vielleicht kannst du uns bei unserem Problem helfen, Lea. Also?“ Peter Grams kam zu ihrem Tisch herüber und stützte sich mit den Händen darauf.
Lea schwieg.
„Ich will dich nicht quälen, Lea“, fuhr Grams jovial fort, um dann in einen väterlich-besorgten Tonfall überzugehen: „Aber ich mache mir Gedanken um dich. Was ist los mit dir? Du träumst, du schläfst, du siehst aus dem Fenster, du bist mit deinem Großhirn überall, nur nicht in meinem Unterricht. Und ich frage mich, wie das kommt. Ich hatte immer den Eindruck, du magst Informatik ganz gerne!?“
Lea rieb sich die Augen. Sie hatte letzte Nacht kaum geschlafen, ebenso wie die vier Nächte davor. Stattdessen hatte sie die Quelltexte studiert, die Programme ihres Vaters. Immer in der Hoffnung, einen Hinweis auf das zu finden, was mit ihm geschah. Aber es war viel zu viel, und obwohl er seine Codes pflichtbewusst mit Kommentaren versah, konnte sie beim besten Willen nicht alles verstehen.
Tagsüber hatte sie seither versucht, noch einmal einen Gesprächsfetzen zwischen ihren Eltern mitzuhören. Aber seit dem kürzlichen Streitgespräch, das sie zuerst in die Küche verlagert und dann unerwartet abgebrochen hatten – so als hätte er in jeder Sekunde gewusst, wo sie war und ob sie etwas hörte, als hätte er einen sechsten Sinn – seither achteten sie peinlich genau auf geschlossene Türen und leise Worte. Wenn sie überhaupt noch miteinander redeten; Lea hatte das dumme Gefühl, dass sich auch zwischen Hans und Valeska eine neue Eiszeit anbahnte. Wenn sie ihre Eltern bei einem Gespräch belauschen wollte, dann musste das sehr bald geschehen, solange es überhaupt noch Gespräche gab.
In der Zwischenzeit hatte sie sich kaum um ihre Schulsachen kümmern können. Die fehlenden Hausaufgaben hatte Grams
Weitere Kostenlose Bücher