Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
Neebels Büro bestellt werden würde?
Und bis sie tatsächlich von der Schule fliegen würde?
Der Gedanke war ein Stachel in ihrem Fleisch, aber sie hatte keine Wahl. Etwas sagte ihr, dass die Zeit knapp wurde. Und sie brauchte Hilfe, allein kam sie nicht weiter.
Punkt eins: Sie brauchte jemanden, der ihr half, die endlosen Codezeilen der Quelltexte durchzusehen; jemanden, der sich mit Computern auskannte, am besten ebenso gut wie sie selbst – oder besser.
Und dann musste sie, Punkt zwei, ihren großen Lauschangriff planen. Wenn ihre Eltern sich vor ihr verbargen, dann mussten eben andere Mittel gefunden werden, um trotzdem zu erfahren, was sie sagten. Sie brauchte jemanden, der wusste, wie man richtig professionell Detektiv spielen konnte.
Ferner sollten, das war Punkt drei, ihre Helfer aus den Punkten eins und zwei möglichst ein und dieselbe Person sein, denn je weniger Menschen von der Sache wussten, umso geringer die Gefahr, dass etwas von ihren verbotenen Aktivitäten nach außen drang.
Sie wog die drei Punkte in ihren Gedanken hin und her und ließ verschiedene Gesichter an ihrem geistigen Auge vorbeiziehen. Lucy schied aus, was sehr bedauerlich war, da sie definitiv am vertrauenswürdigsten gewesen wäre. Aber selbst wenn sie von ihren zwielichtigen Frankfurter Freunden etwas über das Belauschen von Gesprächen wüsste – Computer waren und blieben für sie böhmische Dörfer.
Timm Winckelmann schien Lea zu mögen und würde bei den Quelltexten sicher mitspielen – aber der schüchterne Typ war die personifizierte Unschuld. Mit ihm vertrauliche Gespräche zu belauschen, war schlichtweg unvorstellbar.
Namen und Gestalten kreisten in ihrem Kopf, aber es fand sich beim besten Willen keiner Ihrer Freunde, auf den ihre Kriterien auch nur annähernd zutrafen.
Programmieren, Computer. Belauschen, Detektiv spielen. Computer und Detektive. Detektive und Computer.
„Teufel sei verflucht“, murmelte sie gedankenverloren, „keine Ahnung, ob es Gott gibt, aber wenn ja, dann soll er mir bitte, bitte einen Wink schicken, an wen ich mich wenden soll. Und zwar am besten jetzt sofort.“
Sie war so in ihre Gedanken vertieft gewesen, dass sie in der Cafeteria mit voller Wucht gegen einen breiten Rücken stieß, dessen Besitzer daraufhin von dem Barhocker stürzte, auf dem er an der Theke gesessen hatte. Die Tasse mit dampfendem Pfefferminztee, die sich in seiner rechten Hand befunden hatte, ergoss sich auf den erst im Sommer mit viel Eigeninitiative neu verlegten Teppichboden.
„ Scheiße – ich meine, Entschuldigung“, fluchte sie.
Der Umgestoßene erhob sich langsam und drehte sich zu ihr um.
„Macht doch nichts“, sagte Bülent Sertkük mit breitem Grinsen, „wenn ich erreicht habe, dass dir mal keine altkluge Bemerkung einfällt, war's die Sache wert.“
16. Kapitel
„Wie weit ist er?“
„Er scheut das Sonnenlicht wie ein Lemur, Doña Elisa“, erwiderte Julio Palazuelo, „ich denke, er wird binnen drei bis vier Tagen soweit sein.“
Nachdenklich blickte sie durchs Fenster hinaus auf die Karlsbrücke und die ruhig unter ihr dahinfließende Moldau. „Ich wünschte, es gäbe diese elende Wartezeit nicht, bevor eines Menschen Seele bereit ist für die Dunkelheit. In den Legenden der Sterblichen müssen wir nur einmal zubeißen, und ein neues Kind der Nacht ist geboren.“
„Wenn dem wirklich so wäre, gäbe es bald nur noch Vampire auf der Welt und keine Sterblichen mehr. Sollten wir uns dann von Ratten ernähren?“
„Für einen andalusischen Heißsporn bist du unerträglich vernünftig, Julio. Wenn ich über das Unglück der Welt sinniere, wünsche ich nicht durch kluge Argumente unterbrochen zu werden.“
Er verbeugte sich leicht. „Verzeiht, Doña. Aber jetzt wird es nicht mehr lange dauern. Der Augenblick der Drei Berührungen liegt bereits vier Tage zurück.“
„Such ihn übermorgen auf, Julio. Prüfe ihn. Und wenn es dir gegeben erscheint, wirst du ihm sogleich den Tod gewähren.“
17. Kapitel
„Bülent? Warum warst du nicht in Informatik?“ Lea war wütend. Sie hatte sich gerade bei dem abstoßendsten Kerl der ganzen Klasse öffentlich entschuldigt. Was für eine Demütigung! Jetzt wollte sie ihn wenigstens zur Rede stellen. Vielleicht würde er sich dabei auch irgendwie blamieren.
Aber er zuckte nur die Schultern. „Kein Bock. Warum soll ich auch? In dem neuen Nachmittagskurs geht's richtig zur Sache, die normale Informatik ist Babykram
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