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Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)

Titel: Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Balzter
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noch nicht einmal bemerkt. Aber dass ihr immer wieder der Kopf heruntersackte, dass sie die Augen nicht mehr offenhalten konnte, das konnte ihm nicht verborgen bleiben.
    Trotzdem hatte sie nicht die geringste Lust, sich von Grams irgendwelche Vorhaltungen machen zu lassen. Er hatte ja keine Ahnung davon, was sie umtrieb, weswegen sie hier mit leerem Blick auf ihrem Stuhl saß.
    „Es gibt einfach Wichtigeres“, sagte sie mit fester Stimme.
    „Dann gibt es wohl auch Wichtigeres, als später eine gute Ausbildung zu haben und einen angemessenen Beruf zu bekommen? Wichtigeres, als nicht in der Schlange vor dem Arbeitsamt zu enden? Wichtigeres, als sein Leben und seine Zukunft im Griff zu haben?“
    „Um sein Leben in den Griff zu kriegen, muss man sich manchmal auch um andere Dinge kümmern als um die Schule.“
    Ein verhaltenes Kichern machte die Runde in der Klasse. Sie kannte diese Reaktion auf ihre berüchtigten Rededuelle mit Lehrern: Alle freuten sich, dass ein Pauker mal Kontra bekam, aber das hieß noch lange nicht, dass sie wirklich auf Leas Seite waren. Im Gegenteil, für manche waren solche Momente nur ein weiterer Beweis für ihre angebliche „Klugscheißerei“.
    „Bis dahin magst du noch recht haben, Lea. Aber sieh dich vor. Deine Lust am Trotz hat dich in einigen Fächern schon mindestens zwei Noten absacken lassen. Das könnte dir in Informatik genauso passieren.“
    „Dann kriege ich eine Drei, werde trotzdem versetzt, und später wird sich nie wieder jemand für meine Informatiknote aus der zehnten Klasse interessieren.“
    Grams sog die Luft ein, als hätte er sich verbrannt. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich habe keine Lust, mir auf jede schlagfertige Bemerkung eine weitere einfallen zu lassen. Tatsache ist, dass du seit einiger Zeit eifrig an deinem eigenen Ast sägst, und es tut mir weh, wenn ich mitkriege, dass ein aufgeweckter Mensch den ihm verliehenen Grips vor die Hunde gehen lässt.“
    „Ganz neues Argument“, murrte Lea sarkastisch. „Wenn Sie sich solche Sorgen um meinen Grips machen, warum stimulieren Sie ihn nicht mit einem Fortgeschrittenenkurs?“
    „Also das ist es? Du bist seit Schuljahresanfang beleidigt, weil du nicht in diesen Kurs kamst? Und deshalb boykottierst du meinen Unterricht und ziehst es vor, ein Nickerchen zu halten? Wie weit willst du das treiben? Bis du von der Schule fliegst – wegen eines Informatikkurses?“
    „Sie hatten mir zugesichert, dass ich reinkomme.“
    „Die Dinge haben sich anders entwickelt, als ich gedacht hatte. Aber ich möchte das Thema nicht mehr diskutieren. Du kannst dich jetzt entscheiden, ob du an meinem Unterricht teilnehmen möchtest oder nicht. Wenn ja – und das gilt für euch alle – verlange ich, dass mir ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit gewidmet wird. Wenn nein, dann bleib sitzen und träume, und ich gebe dir eine mündliche Sechs.“
    „Vielen Dank für Ihr Verständnis.“
    Grams senkte die Stimme, als er zu einer Antwort ansetzte. „Ich möchte dich ja verstehen, Lea. Gott weiß, nichts wäre mir lieber, als eine Erklärung für dein seltsames Verhalten zu haben. Dann wüsste ich, wo ich ansetzen könnte. Aber das weiß ich nicht. Und wenn du es mir nicht sagst, werde ich es nie erfahren.“ Er flüsterte jetzt beinahe. „Was immer es ist, es mag einfacher sein, zusammen eine Lösung zu finden als allein. Du kannst jederzeit zu mir kommen, wenn du reden möchtest.“
    Schwungvoll drehte er sich um, schritt zur Tafel und fuhr in üblicher Lehrerlautstärke fort.
    „Und jetzt möchte ich, dass mir endlich jemand erklärt, woher der Fahrkartenautomat weiß, welche Münzen er als Wechselgeld geben muss.“
     
    Eine halbe Stunde später stapfte sie lustlos in Richtung Cafeteria. Lucy war verschwunden, um im Wald neben dem Schulgelände mit ein paar älteren Schülern eine Zigarette zu rauchen, und so konnte sich Lea ungestört ihren Gedanken widmen.
    Alles, was sie so schön geplant hatte, war schiefgelaufen. Sie hatte über Tausenden von Zeilen der Programme ihres Vaters gebrütet, ohne einen Hinweis auf seinen Zustand zu entdecken. Sie hatte tagelang versucht, ein Wort, einen Satz zu erhaschen, ohne Erfolg.
    Stattdessen war es nun schon sie selbst, die sich zu verändern schien. Ihre ständige Müdigkeit machte es völlig unmöglich, der Schule noch die nötige Aufmerksamkeit zu widmen. Und nun hatte sie ihre erste Moralpredigt deswegen kassiert. Wie lange würde es dauern, bis sie zum Problemgespräch in

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