Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
weniger mit Schuldgefühlen belastet als die einsamen Handlungen in seinem Zimmer.
Die Bedienung in der Snare Drum riss ihn aus seinen Gedanken, indem sie ein Glas mit Cola vor ihn stellte. Cola? Er hätte doch gemerkt, wenn sie „Cola“ gesagt hätte. Er wartete auf das große Unbekannte, und sie brachte ihm Cola, als ob er ein kleiner Junge sei! Ob sie gemerkt hatte, dass er noch keine sechzehn war? Sie durfte ihm eigentlich keinen Alkohol verkaufen. Aber dann hätte sie doch nachfragen können, was er stattdessen trinken wollte. Oder ihn rauswerfen, irgendwas. Aber nicht einfach Cola!
Plötzlich stand eine wunderschöne und sehr erwachsen aussehende Frau vor ihm. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es Lea war. Sie hatte ihre Haare bis auf Schulterlänge abgeschnitten und trug einen eleganten Mantel, was ihr eine völlig veränderte Ausstrahlung verlieh. War diese Dame tatsächlich mit ihm, Timm, verabredet, der sich manchmal mit einer reizend bebilderten Zeitschrift in sein Zimmer zurückzog und dem man in einer Kneipe ungefragt Cola servierte?
„Hallo“, sagte sie und zog ihren Mantel aus. Darunter kam ein Kleidungsstück zum Vorschein, das nicht so ganz in die kühle Jahreszeit zu passen schien, aber hier drinnen war es ja warm, und Timm kam sich vor wie in einem schönen Traum.
Nur dass man in schönen Träumen nicht so nervös war, oder? Und sein Mund war so verdammt trocken! Mit leicht zitternden Fingern nahm er einen Schluck von der Cola, um die er jetzt ganz froh war – und bekam einen fürchterlichen Hustenanfall, der ihm die Flüssigkeit durch die Nasenlöcher wieder austrieb. Schnell wandte er sich ab und vergrub sich in ein Taschentuch, bis er wieder aufhören konnte zu husten.
„So eine Schweinerei“, schimpfte er, während er sich noch Nase und Mund abwischte, „das ist keine Cola. Was zum Teufel haben die mir gebracht? Es schmeckt total bitter!“
„Was hast du denn bestellt?“, fragte Lea, die sich anscheinend das Lachen verbeißen musste. War das peinlich! Der schöne Traum, so schnell vorüber ... er wäre am liebsten direkt wieder verschwunden.
Für Lea war es seit langer Zeit wieder das erste Mal, dass sie den Drang zu lachen verspürte. Schade, dass es so unhöflich gewesen wäre.
Die Kellnerin kam und fragte nach ihrer Bestellung, und Lea verlangte ein Glas Rotwein, weil sie sich so mondän fühlte mit ihrem schicken Mantel und ihrem ersten Date.
„Und du“, fragte die Bedienung Timm, „noch ein Hütchen?“
„Im Augenblick nichts mehr, danke“, entgegnete er mit immer noch leicht verstopfter Nase, „was ist ein Hütchen?“
„Cola mit Asbach. Schmeckt's nicht?“
„Doch, doch, alles in Ordnung. Ich hatte nur ... etwas anderes erwartet.“
Sie machte eine beiläufige Bemerkung über die regionale Verschiedenheit von Getränkebezeichnungen und verschwand wieder.
Jetzt erst wurde Lea so richtig klar, dass sie ein Gesprächsthema brauchten. Aber was sollte sie sagen? Er sah so skeptisch drein. Ob er heimlich über sie lachte, weil sie zu diesem schicken Mantel und dem Top immer noch ihre alten, ausgelatschten Turnschuhe trug? Aber sie hatte nun mal nichts anderes! Und in Lucys Stiefeln, die immer noch bei ihr herumstanden, hätte sie sich wieder so verkleidet gefühlt.
Timms Stirn zog sich noch weiter in Falten, und sie hoffte, dass er lediglich darüber nachdachte, was er als Nächstes sagen sollte.
Dann sah er tatsächlich nach unten auf den Boden, zu ihren Schuhen hin, und begann: „Ich hätte ja nicht gedacht ...“
Als ob sie es gewusst hätte! Ihr erstes Date, und die schicke Aufmachung war sofort als Fake entlarvt worden! Durchgefallen wegen unmöglicher Ausgehschuhe.
Er nahm einen sehr vorsichtigen Schluck von seinem Getränk und setzte noch einmal an: „Ich hätte nicht gedacht, dass du so mit der Mode gehst. Erst gestern hieß es auf Bravo.de, dass Turnschuhe mega-hip sind.“
„Was? Aber Lucy sagte ...“ Lea biss sich auf die Zunge. „... ich meine ... natürlich bin ich hip. Gigahip, wenn du willst. Warum auch nicht?“
Timms Blick heftete sich sehr konzentriert an sein Glas. Sein rechter Zeigefinger fuhr an der Oberkante entlang und erzeugte einen leise singenden Ton. „Viele finden dich ein bisschen komisch, weißt du. Aber ich nicht“, fügte er eilig hinzu, „ich finde dich nett.“
„Vielen Dank auch. Warum findet man mich denn komisch? Ich meine, abgesehen davon, dass ich heute früh aus heiterem Himmel unser
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