Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
geschuldet.
„Ich konnte nicht umhin, dein Gespräch mit dem Polizisten mit anzuhören“, sagte die dunkle Stimme unter der Kapuze.
„Was?“
„Der Polizist hat gemerkt, dass du etwas weißt.“
„Ich ... weiß aber gar nichts ...“
In den Schatten glaubte Timm zu erkennen, wie sich zwei volle Lippen in gespielter Enttäuschung nach unten zogen.
„Du solltest nicht lügen, mein kleiner Freund. Dann kommst du nicht in den Himmel.“
„Was wollen Sie von mir?“
„Du kannst mir helfen, dass deine Freundin nicht von der Polizei gefunden wird. Das ganze Gerede, dass du sie komisch findest, damit kannst du vielleicht den Bullen eine Weile blenden, aber niemanden, der seine Sinne beisammen hat. Ich weiß, du hast das gesagt, um zu verschleiern, dass sie dir erzählt oder angedeutet hat, wo sie hin will.“
„Das ist überhaupt nicht wahr. Lassen Sie mich jetzt bitte durch, ich komme zu spät zu Latein.“
„Eine Frage von Leben und Tod, und du denkst an Latein? Sehr pflichtbewusst, junger Mann, wirklich. Nimm dir nur noch eine Minute. Ich würde dir gerne etwas erklären.“
Er zog Timm ganz nah zu sich heran und fragte flüsternd: „Weißt du, was Schmerz ist?“
„Äh ... ich denke ja ...“
Palazuelo schüttelte langsam den Kopf. „Du irrst dich. Du weißt es nicht. Aber bald wirst du es wissen. Und danach werde auch ich wissen, was ich wissen möchte.“
Was dann geschah, wusste Timm später nicht mehr genau zu sagen, es ging einfach zu schnell. Das Nächste, woran er sich erinnern konnte, war, dass sich ein Kofferraumdeckel über ihm schloss und ein Motor gestartet wurde.
Die folgende halbe Stunde jedoch, die bis zum Sonnenaufgang verstrich, sollte sich bis an sein Lebensende in sein Gedächtnis brennen.
42. Kapitel
„Aufstehen, Skinny. Du weißt, welcher Tag heute ist. Auch wenn's mir leid tut.“
Die Fröhlichkeit der Stimme hatte etwas absolut Unpassendes. Lea hatte sich in der ganzen Woche, die sie hier verbracht hatte, nie an diese unangemessene Fröhlichkeit gewöhnt. Es hatte etwas von einem Leichenbestatter im Clownskostüm. Die Menschen, die hierher kamen, waren verzweifelt. Manche mochten sich durch diese Stimme aufheitern lassen, aber Lea zog sie nur noch tiefer herunter. Sie machte der Besitzerin dieser Stimme keinen Vorwurf, schließlich konnte man nicht erwarten, dass sie selbst in ihrem Job nur noch mit Grabesmiene durchs Land schlich. Aber genervt durfte man doch sein, oder nicht? Oh doch!
„Sie verlieren nie Ihr Lächeln, Frau Tönges, nicht wahr?“
Die Leiterin des Sleep-In kniff ihr in die Wange, während sie sich aus der Bettdecke schälte. „Niemals, Skinny. Meinen Glauben, meine Hoffnung, meinen Humor – aber niemals mein Lächeln. Charlie Chaplin hat gesagt, jeder Tag, an dem du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag.“
„Er hat auch gesagt, die Jugend wäre eine viel schönere Zeit, wenn sie etwas später im Leben käme. Das fand ich wesentlich treffender.“
„Deine freche Zunge ist dir jedenfalls nicht abhandengekommen. Das ist doch ein guter Anfang, oder? Du bist hübsch, hast was im Kopf – das ist schon mehr, als die meisten Leute von sich behaupten können.“
„Ihre Versuche, mich aufzubauen, in allen Ehren, aber Sie haben keine Ahnung von meinen Problemen, und ich möchte nicht, dass Sie versuchen, mir einzureden, ich hätte es doch eigentlich ganz toll, wenn ich's nur merken würde.“
Gerlinde Tönges' Lächeln bekam einen nachdenklichen Zug um die Mundwinkel, ohne jedoch ganz zu verschwinden. „Ich könnte dir vielleicht besser helfen, wenn ich mehr von dir wüsste. Du erzählst ja nichts. Sieben Tage bist du jetzt hier. Normalerweise hätte ich dich nach drei Tagen rausschmeißen müssen, das ist die Höchstgrenze für anonyme Übernachtungen. Ich hatte gehofft, du würdest dich etwas öffnen, Skinny.“
„Ich wünschte, Sie würden mich nicht so nennen.“
„Wie soll ich dich denn nennen? Für jeden Anonymen denke ich mir eben einen Spitznamen aus. Sonst würden ja alle einfach 'Ey' heißen. Und du hast nun mal wenig auf den Rippen. Ist noch weniger geworden, wenn ich das richtig sehe. Ein Grund mehr, dass du mal jemanden ins Vertrauen ziehen solltest. Schließlich ist heute der Tag der Tage, heute musst du in die weite Welt hinein, endgültig. Und das ohne Stock und Hut. Ich kann leider nichts mehr für dich tun, sonst sitzt mir die öffentliche Kasse im Nacken und beklagt sich über Ungleichbehandlung, weil draußen
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