Das Ritual der Gleißenden Dämonen (German Edition)
vorzulegen. Es war ihm und seinen Kollegen noch nicht einmal gelungen, das Mädchen oder seine Helfer (wenn sie denn an der Tat beteiligt war) zu finden. Deshalb stand er sich hier mitten in der Nacht die Beine in den Bauch, um nun auch die restlichen Schüler ihrer Klassenstufe zu sprechen.
„Wer mich noch nicht gesehen hat, mein Name ist Ritterbusch. Hauptkommissar Ritterbusch. Ihr wisst, warum ich hier bin.“
Während er sprach, kamen noch mehr Schüler, die sich um ihn herumgruppierten. Umso besser.
„Wir haben eure Mitschülerin Lea leider immer noch nicht gefunden. Das macht uns große Sorgen. Es könnte ihr etwas zugestoßen sein, das können wir leider nicht ausschließen. Ich baue also auf eure Mithilfe.“
„Haben Sie denn irgendwelche Hinweise?“ Das war doch der Dicke! Wie hieß er gleich? Bülent, genau ... Wieso war der denn plötzlich so interessiert an ihr, wo er doch angeblich nichts mehr mit ihr zu tun hatte?
„Bisher noch nicht. Deshalb setze ich ja auf euch.“
Einen Augenblick lang schien ihm, als sei einer der Jungen leicht zusammengezuckt. Ob er etwas wusste?
„Du da, wie heißt du denn?“
„Ich, äh ... Timm. Timm Winckelmann.“
„Und warst du ... bist du mit Lea befreundet?“
Er zuckte die Schultern. „Wie man's nimmt. Wir sind mal zusammen ausgegangen. Das haben Sie wahrscheinlich schon herausgefunden. Aber ich bin irgendwie nicht so richtig zu ihr durchgedrungen. Sie ist ein bisschen komisch, wissen Sie.“
„Hmja, das wurde mir bereits berichtet. Gibt es denn irgendjemanden, der Lea nicht 'komisch' fand und mir weiterhelfen kann?
„Lea ist nicht komisch.“ Energisch drängte sich eine kleine blonde Person in nachtschwarzer Kleidung nach vorn. Sie trug eine enge Lederhose, Stiefel mit mindestens einem Dutzend Schnallen und kiloweise Kajal. So etwas nannte man wohl einen Grufti. Hatten die nicht was mit Satanismus zu tun?
„So, ist sie also nicht. Und wer bist du?“
„Ich heiße Lucy Metzner. Ich bin mit Lea befreundet.“
„Ach komm“, fuhr ihr Bülent dazwischen, „in letzter Zeit hast du doch auch nicht mehr mit ihr geredet.“
„Du vielleicht?“
„War ich denn mit ihr befreundet? Wir haben nur mal was zusammen gemacht. Äh ... für Jugend forscht .“
„Kommt schon“, unterbrach Ritterbusch, „in dem Moment, wo jemandem etwas passiert ist oder passiert sein könnte, macht man sich immer Vorwürfe, dass man sich mit ihm hätte besser vertragen sollen. Das ist ganz normal. Ihr braucht euch also nicht gegenseitig zu zerfleischen. Ihr sollt mir nur sagen, was ihr über Lea wisst.“
„Jedenfalls war sie nicht komisch. Sie war nur zu schlau für die ganze Bande hier!“
„Zu schlau?“
„Nun ja“, meldete sich Timm wieder zu Wort, „sie legte sich oft mit Lehrern an, wenn die etwas Falsches sagten oder in ihren Augen nicht fair oder nicht konsequent waren. Sie selbst sagte von sich, sie sei gar nicht schlau, sondern hätte nur irgend so ein besonderes Gedächtnis ...“
„Ein fotografisches Gedächtnis?“
„Glaube ich, ja.“
„Dann scheint ihr euch wohl doch näher gekommen zu sein, wenn du solche Sachen weißt und niemand sonst.“
Wieder zuckte der Junge zusammen und fuhr sich mit der Hand an den Mund. Der wusste doch etwas!
„Gibt es vielleicht etwas, das du mir unter vier Augen sagen möchtest, Timm Winckelmann?“
Der Junge blickte zu Boden und schüttelte den Kopf.
„Nun, wenn du es dir anders überlegst, hier ist meine Karte. Und wer von euch meine Karte nicht hat, unter www.polizei-eschersbach.de könnt ihr eine E-Mail schicken. Mit dem Zeug kennt ihr euch doch aus, nicht wahr?“
Sie lachten und nickten, und der Haufen zerstreute sich langsam.
Ritterbusch drehte sich um und ging zu seinem Auto zurück. Die Kälte zog ihm bis in die Nasenlöcher hinauf. Die Dampfwölkchen seines Atems schienen ihn mit jedem Atemzug daran zu erinnern, wie die Wärme aus seinem Körper gesogen wurde.
Hoffentlich sprang die Heizung gleich an.
„Hallo, Junge.“
„Wie bitte?“ Timm erschrak. Er hatte niemanden gesehen, als er am Schluss der Kolonne die Treppen zum Klassenraum hinaufging. Und plötzlich stand da dieser große Mann vor ihm in seinem weiten Kapuzenumhang, unter dem nur die Armeestiefel herausschauten. Von seinem Gesicht war kaum etwas zu erkennen. Das, was er zu erkennen meinte – zwei dunkelrot glühende Punkte dort, wo die Augen hätten sein müssen – war sicher seiner Müdigkeit und der Kälte
Weitere Kostenlose Bücher