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Das Rosenhaus

Das Rosenhaus

Titel: Das Rosenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Hand gehen?«
    Er saß auf der Kante des heruntergefahrenen Bettes, die Krücken
standen gleich neben ihm an die Matratze gelehnt. Er zeigte auf seine Füße, von
denen einer noch im Schuh steckte, und zuckte frustriert mit den Schultern.
    »Ich krieg ihn nicht aus. Normalerweise kann ich das, aber heute
bekomme ich den Knoten einfach nicht auf. Dyl hat mir die Schuhe zugebunden,
bevor er aus dem Haus gegangen ist – ich glaube, er hat sie mit Absicht so
seltsam geknotet, um zu testen, wie viel ich schon kann.«
    Sie nickte, kniete sich vor ihm hin, löste den Knoten, zog ihm Schuh
und Socke aus und sank dann zurück auf ihre Füße. Sorgenvoll, gequält und
reumütig zugleich blickte sie kurz zu ihm auf.
    Dann entdeckte sie, dass sein Fuß ein einziger dunkler Bluterguss
war.
    »Liam«, keuchte sie.
    »Ist nicht so schlimm.« Er zuckte mit den Schultern.
    »Das ist doch nicht dein Ernst? Das sieht mehr als schlimm aus.«
    Er schüttelte den Kopf und rümpfte nachdenklich die Nase.
    »Mehr als schlimm ist mein Knie. Tut verdammt weh. Das sind solche
Schmerzen … Sie halten mich die ganze Nacht wach und lassen nicht nach, ganz
gleich, wie ich mich hinlege. Obwohl es jetzt, ohne Gips, schon deutlich besser
ist. Manchmal habe ich einfach nur hier gelegen und darauf gewartet, dass es
wieder hell wird. Stundenlang habe ich auf die Uhr gestarrt, bis ich endlich
noch einen von den Schmerzkillern nehmen konnte, aber das hat oft auch kaum
geholfen …«
    »Das tut mir so leid …«
    »Wieso denn, war doch nicht deine Schuld. Überhaupt nichts von
alldem ist deine Schuld …«
    »Aber ich dachte, du wärest auf dem Weg der Besserung … wenn ich
gewusst hätte, dass es immer noch so … Ich meine, wenn es sogar jetzt noch so
schmerzhaft ist, dann …«
    »Ich bin auf dem Weg der Besserung, Lily. Versprochen. Das da« – er
zeigte auf seinen Fuß – »hat überhaupt nichts mit meinem Unfall auf der
Baustelle zu tun, sondern ist das Ergebnis einer Auseinandersetzung, die ich
neulich bei der Krankengymnastik in der Klinik mit einem der Trainingsfahrräder
hatte.«
    Sie schwieg, während sie ihren Mut zusammennahm, ihn zu fragen.
    »Warum darf ich dich nicht zur Krankengymnastik begleiten?«
    »Weil das Dylans Aufgabe ist.«
    »Also nicht, weil du mich nicht dabeihaben willst?«
    Er befasste sich etwas zu lange schweigend mit einem
Manschettenknopf. Dann sah er sie betreten an.
    »Ich will dich nicht anlügen, Lily. Ich will dich nicht dabeihaben.«
Er sah ihr an, wie sehr sie das verletzte. Aber dieses Mal weidete er sich nicht
an ihrem Leid, das ihm irgendwie Oberwasser bescherte. Dieses Mal wollte er es
ihr erklären. »Ich will dich deshalb nicht dabeihaben, Lily, weil ich weiß,
dass es dir genauso viele Schmerzen bereiten würde wie mir. Du willst nicht
sehen, was sie da mit mir machen, glaub mir, Lily. Dylan und ich, wir machen
unsere Witze über die Folterkammer, aber manchmal fühlt sich der
Behandlungsraum wirklich genauso an. Die Leute da nehmen ihre Patienten hart
ran, das müssen sie ja auch, und ich will natürlich auch, dass sie mich hart
rannehmen, aber wenn du das sehen würdest, Lily … Dann würdest du es nicht
zulassen wollen. Du würdest mit deiner Handtasche auf sie einprügeln und sie
anschreien, dass sie mich in Ruhe lassen sollen …« Zärtlich sah er sie an und
hoffte, sie möge sein Lächeln erwidern. »Obwohl … So, wie ich dich in letzter
Zeit behandelt habe, würdest du sie womöglich anfeuern, mich noch ein bisschen
mehr zu quälen … würdest ihnen eine Peitsche reichen und sie bitten, noch etwas
fester zu prügeln …«
    Der letzte Satz war typisch für Liam, so wie sie ihn kannte. Das
brachte sie zum Weinen. Sie wollte nicht, dass er das sah, und schluckte,
schlug die Hände vors Gesicht und tat, als würde sie lachen. Er ging ihr nicht
auf den Leim, spielte aber mit. Dann nahm er ihre Hand.
    »Das Schlimmste habe ich hinter mir, Lily.«
    »Und warum erzählst du mir das erst jetzt, wo ich dir nicht mehr
helfen kann? Warum hast du mich die ganze Zeit ausgeschlossen?«
    Sein Blick wurde traurig, und er umklammerte ihre Hand fester. »Es
tut mir leid, Lily, es tut mir so furchtbar leid … Und ich fürchte … Ich muss
gestehen, dass … Es ist so schrecklich, Lily, aber ich glaube, unbewusst habe
ich dich bestraft …«
    »Mich bestraft?«
    Er nickte langsam.
    »Dafür, dass du genau das Gleiche mit mir gemacht hast. Dass du mich
ausgeschlossen und abgewiesen hast, als du mich am

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