Das Rosenhaus
meiste Zeit im
Schatten lag, als Garten nutzen konnte, ignorierte sie standhaft, dass der
Rosengarten ein Teil ihres Anwesens war.
Sie stellte die Kaffeetasse ab, zog eine Schublade auf und holte ein
Paar nagelneuer, unbenutzter Gartenhandschuhe hervor.
Sie streifte sie über.
Trank behandschuht den Kaffee aus und hing ihren Gedanken nach. Dann
zog sie die Handschuhe wieder aus, legte sie in die Schublade zurück und
begann, sich für ihre Fahrt zum Krankenhaus fertig zu machen.
Liam vermisste seine Musik.
Sie hatte ihm einen iPod gekauft – eine Entwicklung der
Unterhaltungselektronik, die bisher an ihnen vorübergegangen war – und so viele
Titel wie möglich draufgeladen.
Liam freute sich ein Loch in den Bauch.
Dies zusammen mit der Tatsache, dass tatsächlich noch immer die
Sonne schien, als sie aus dem Krankenhaus kam, gab Lily neuen Auftrieb.
Als sie zum Rose Cottage zurückkam, legte sie eine von Liams
Lieblings- CD s
auf, drehte auf fast volle Lautstärke und ging hinaus auf die Terrasse.
Sie stellte einen der umgefallenen Stühle auf, wandte ihn der Sonne
zu, wischte die Sitzfläche grob ab und setzte sich mit dem Rücken zum
Rosengarten darauf. Sie schloss die Augen und lauschte dem Rauschen der Wellen
jenseits des Steilhangs, das trotz der lauten Musik noch zu hören war.
So verharrte sie eine ganze Weile. Ließ sich von der Sonne wärmen
und von der Musik tragen.
Als sie plötzlich eine Stimme hörte, fuhr sie erschrocken zusammen.
Kaum sah sie jedoch, wer es war, atmete sie erfreut und erleichtert auf.
»Ich habe geklopft, aber …«, lächelte Abi entschuldigend. Sie hatte
beide Hände voll.
»Tut mir leid, habe ich nicht gehört.« Lily nahm die Fernbedienung,
richtete sie nach drinnen und stellte die Musik leiser. »Ich habe mich derart
daran gewöhnt, ganz allein hier draußen zu sein, dass ich überhaupt nicht an
meine Nachbarn gedacht habe. Ist viel zu laut, oder? Tut mir wirklich leid«,
entschuldigte sie sich.
»Keine Sorge, ich bin nicht hier, um mich über den Lärm zu
beschweren.« Abi hielt den zugedeckten Teller in ihrer Hand hoch. »Ich habe
einen Kuchen mitgebracht, wie versprochen. Allerdings keinen Apfelkuchen, ich
schätze eher Kirsch. Ich weiß es nicht genau – Bob hat ungefähr ein halbes
Dutzend für mich eingefroren, bevor er sich nach Mailand verzog. Aber ganz
gleich, was es ist, es ist köstlich, glauben Sie mir. Bob ist der beste Koch
diesseits des Tamar. Und« – sie winkte mit der Gin-Flasche in ihrer anderen
Hand – »ich hab auch einen Notfalltropfen dabei.«
Sie stellte beides auf den schmiedeeisernen Tisch und strahlte Lily
an.
»Gläser haben Sie wohl selbst, dachte ich, darum hab ich keine
mitgebracht.«
Lily erwiderte ihr Lächeln.
»Ja, natürlich, und Eis, und vielleicht sogar eine Zitrone.«
Lily bat sie, sich zu setzen, und holte alles Weitere aus der Küche.
Dann schenkte sie ihr einen ordentlichen Schluck Gin ein, füllte das Glas mit
Tonic auf und reichte es ihr.
Abi machte ein erstauntes Gesicht.
»Trinken Sie nicht mit?« Sie sah auf die Uhr. »Ist es Ihnen noch zu
früh am Tag?«
»Ich trinke nie Gin. Habe mal gehört, dass man davon schlechte Laune
bekommt, und ich finde, ich bin auch so schon trübsinnig genug.« Lily lächelte
scheu, was Abi nur noch breiter grinsen ließ.
»Ach, papperlapapp, das ist doch ein Ammenmärchen.«
Sie stand auf, holte ein zweites Glas aus der Küche und mixte Lily
einen ebenso starken Drink wie ihren. Dann reichte sie ihr das Glas.
»Prost.«
Lily gab nach, hob ihr Glas und nippte daran.
»Gar nicht so schlecht«, seufzte sie, als die kalte Flüssigkeit ihr
warm die Speiseröhre hinunterlief, direkt in den – wie ihr erst jetzt auffiel –
leeren Magen.
»Was hatten Sie denn erwartet?«, wollte Abi mit erstaunt geweiteten
Augen wissen.
»Ich mochte das Zeug früher nicht.«
»Ich finde, jeder sollte in seinem Leben regelmäßig Dingen, die er
eigentlich nicht mag, eine zweite Chance geben. Da erlebt man nämlich so einige
Überraschungen. Und es ist doch schön, hin und wieder mal überrascht zu werden,
oder? Na, jetzt sagen Sie schon: Wieso sind Sie trübsinnig?«
Lily staunte über diese Direktheit.
»Na ja … Es ist alles nicht so einfach gewesen in letzter Zeit …«,
wich sie aus.
»Nicht so einfach?«, hakte Abi nach.
»Mein Mann Liam hatte vor beinahe zwei Monaten einen Unfall … einen
ziemlich schweren, er liegt seitdem im Krankenhaus …«
»Oje, Sie Ärmste! Ich war davon
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