Das Rosenhaus
ernst.
»Na ja, aber ich meine doch, du könntest dort das gute Wetter
genießen, umgeben von beeindruckender Architektur, toller Gitarrenmusik und
heißen Spaniern mit dunklen Augen und Knackärschen.«
Abi zwinkerte Lily zu und reichte auch ihr eine Tasse Kaffee.
»Schönen Gruß von Betty. Ich wusste nicht, wie Sie ihn trinken … Mit Milch,
ohne Zucker, ist das recht?«
»Aber das wäre doch nicht nötig gewesen …«, hob Lily an.
»Das Gleiche könnte ich auch sagen.« Abi grinste. »Ich bin Ihnen ja
so dankbar. Ich bin nämlich viel zu alt, um lange einhalten zu können. In
Madagaskar hätte das fast zu einem Zwischenfall geführt. Nathan wollte mich
unbedingt auf einen Kamelritt mitnehmen, das war natürlich ein einmaliges
Erlebnis, aber auf diesen Viechern kommt man unterwegs weiß Gott nicht an
vielen öffentlichen Toiletten vorbei … Also, wissen Sie, wir kennen uns kaum,
und ich rede über nichts anderes als meine Blasenschwäche … Na ja, wie dem auch
sei, ich musste so dringend, aber um mich herum war meilenweit nichts anderes
zu sehen als Dünen … Und wenn ich sage meilenweit, dann meine ich buchstäblich
meilenweit, und leider war keine einzige der Dünen so geformt, dass ich mich
dahinter hätte verstecken und erleichtern können …«
Abi plapperte wie eine Weltmeisterin, während Anna kein Wort sagte
und ziemlich mürrisch wirkte. Aber das fiel Abi gar nicht weiter auf. Sie hatte
sich in Fahrt geplaudert.
Lily genoss Abis nicht enden wollenden Redeschwall. Es war verdammt
lange her, seit jemand ihr so viel erzählt hatte.
Ihre Londoner Galerie-Kollegin Ruth war auch so eine Quasselstrippe
gewesen, das hatte Lily manchmal fast zur Verzweiflung getrieben. Schon
komisch, wie man selbst die enervierendsten Dinge vermissen konnte.
Nach zehn Minuten erinnerte sie sich, dass sie ja noch zu Liam ins
Krankenhaus wollte. Nur ungern verkündete Lily, dass sie gehen müsse.
Abi machte ein ehrlich enttäuschtes Gesicht. »Jetzt schon? Aber Sie
schauen doch bei Gelegenheit mal wieder rein, oder?«
»O ja, ganz bestimmt. Ich möchte nämlich eins der Bilder Ihres
Sohnes kaufen, das mit der untergehenden Sonne, die sich in der Pfütze zwischen
den Felsen spiegelt. Könnten Sie es wohl für mich reservieren? Ich wollte
eigentlich nur eine Zeitung holen, darum habe ich kaum Geld bei mir. Und ich
will nicht riskieren, dass es mir jemand wegschnappt.«
»Seien Sie doch nicht albern, nehmen Sie es jetzt mit, und bezahlen
Sie es, wenn Sie das nächste Mal hier sind.«
»Das geht doch nicht.«
»Natürlich geht das. Ich habe Ihnen vorhin mein ganzes Geschäft
anvertraut, da werde ich Ihnen doch wohl wegen eines Bildes vertrauen können.
Außerdem sind wir Nachbarn. Höchstwahrscheinlich werde ich mir bei Ihnen bis
zum nächsten Winter so viel Gin und Zucker borgen, dass das Bild damit locker
bezahlt wäre.«
»Dann muss ich aber schnellstens etwas Gin besorgen.«
»Wie bitte? Sie haben keinen Gin im Haus?« Abi tat schockiert. »Das
kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
Auf dem Nachhauseweg besah Lily sich Driftwood Cottage
etwas genauer. Erst da fiel ihr auf, dass der Haufen durchnässter Post
verschwunden war und die Vorhänge beiseitegezogen waren. Erstaunlich, wie
solche Kleinigkeiten den Gesamteindruck eines Hauses verändern konnten. So
ähnlich, wie wenn sie sich die Haare bürstete und die Wimpern tuschte, bevor
sie aus dem Haus ging – sie sah dann einfach tausend Mal besser aus.
Zu Hause angekommen, ging Lily gleich nach oben ins Schlafzimmer und
hängte das Bild auf. Zuerst zwischen die beiden Fenster dem Bett gegenüber, wo
es aber irgendwie mit der Aussicht konkurrierte. Also hängte sie es über das
Kopfende des Bettes, nur um dann zu befinden, dass es einen viel exponierteren
Platz verdient hatte. Sie brachte es hinunter in Liams neues, vorübergehendes Schlafzimmer
und hängte es dort auf.
Auf dem Weg in die Küche, wo sie sich eine Tasse Kaffee brühen
wollte, bemerkte sie, dass die Sonne schien. Zwar freute sie sich darüber, aber
im Sonnenlicht fiel ihr umso mehr auf, in welch desolatem Zustand sich der Garten
befand.
Am schlimmsten stand es um den Rosengarten. Alles, was davon über
die Mauer hinweg zu sehen war, waren wild wuchernde Dornenranken. Lily hoffte,
dass er nicht mehr trist und unordentlich, sondern wild und romantisch aussehen
würde, sobald die vielen, vielen Knospen blühten. Am besten ohne ihr Zutun.
Denn obwohl sie de facto nur die winzige Terrasse, die die
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