Das Rosenhaus
noch schwer, von einem Jungen
herumkommandiert zu werden, dessen Vater er sein konnte, aber er erkannte
gleichzeitig, dass dieser Junge in der Tat wusste, was das Beste für ihn war.
Nach dieser Konfrontation entwickelten sie neue Rituale, die Liam
zugegebenermaßen viel besser gefielen als die alten.
Jetzt machten sie wieder ein Musik-Quiz. Abwechselnd legten sie CD s
in Liams hochkomplizierte Stereoanlage ein und ließen den anderen raten, wer
was sang.
Es klang ganz so, als würde Liam gewinnen, denn Dylan beklagte sich
lautstark über Liams letzte Wahl.
»Ach, Scheiße, Liam. Ich kenne das Lied, aber ich habe keine Ahnung,
wie es heißt oder wer es gesungen hat.«
»Soll das heißen, du gibst auf?«
»Gib mir noch ein paar Sekunden … nein. Nein. Verdammt. Sag schon.
Ich beiß’ mir sicher gleich in den Arsch, aber sag …«
»Primal Scream, Rocks.«
»Da wäre ich nie drauf gekommen. Okay, du bist dran. Wollen mal
sehen, wie lange du brauchst, um das hier zu erraten …«
Sekunden später jaulte er triumphierend auf.
»Mannomann, das ist doch kinderleicht. Für wie alt hältst du mich?
Sechs? Queen natürlich, Bohemian Rhapsody. Komm, Dylan, streng dich ein
bisschen an.«
»Okay. Dylan Thomas nimmt jede Herausforderung an.«
Dylan arbeitete sich durch die Holzkästen, in denen Liam seine riesige
Sammlung von Musikalben aufbewahrte, grün vor Neid angesichts der Auswahl und
der alten, aber hervorragenden Stereoanlage von Bang & Olufsen.
Die beiden hatten durch die Musik und ihren ähnlichen Sinn für Humor
zueinander gefunden, und die Beziehung festigte sich dadurch, dass Dylan sich
schlicht weigerte, sich alles von Liam gefallen zu lassen.
Liams Arbeitszimmer war zu einer Art Basislager geworden. Wo einst
Funktionalität und Sachlichkeit vorherrschten – Zeichentisch, Sofa, Regale
voller Fachbücher und Gebrauchsanleitungen, der antike Planschrank aus Eiche,
den Lily ihm zu seinem dreißigsten Geburtstag geschenkt hatte –, gaben nun
seine Stereoanlage, Platten, CD s, Zeitschriften, schöngeistige Bücher, ein
Sessel, ein Fernseher und ein DVD -Gerät den Ton an.
Immer wenn Dylan länger als verabredet blieb, zogen sich die beiden
in diesen Raum zurück und fochten ihre juvenilen Wettkämpfe aus.
Dylan zog eine Platte aus dem Kasten, vergewisserte sich, dass Liam
nicht heimlich guckte, und legte sie auf.
»Coldplay, Clocks«, rief Liam bereits nach den ersten Klängen.
»Nicht schlecht, aber nicht gut genug.«
»Mist. Noch eins.«
»Nein, nein, Freundchen. Jetzt bin ich dran. Du durftest schon
zweimal hintereinander. Und hast beide Male verloren.«
Es herrschte einen Moment lang Ruhe, dann sagte Liam:
»So, dann sag mir mal, was das ist.«
Ein Gitarrenriff erfüllte das Haus.
Dylan lehnte sich zurück, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und
grinste arrogant.
»Das nennen Sie schwierig, Mr. Bonner?«
»Wie? Kennst du das etwa? Dafür bist du doch viel zu jung.«
»Stimmt. Beschwer dich bei meinen Eltern.«
»Also?«
»Owner of a Lonely
Heart, Yes. Verdammt guter Song.«
»Stimmt. Verdammt guter Song.«
Sie ließen den Titel weiterlaufen und schwiegen, hörten sich das
ganze Lied an und fingen erst wieder an zu reden, als das nächste einsetzte.
Ihr Quiz hatten sie vergessen.
»Wie alt bist du eigentlich, Liam?«
»Hat Lily dir das etwa noch nicht verraten? Ich dachte, du wüsstest
schon alles über mich.«
»Na ja, ich weiß schon so einiges, aber ganz bestimmt noch nicht
alles.«
»Wovon du in der vergangenen Stunde Zeugnis abgelegt hast.«
»Haha. Also?«
»Also was?«
»Wie alt bist du?«
»Achtunddreißig.«
»Im Ernst? Ach, du Scheiße. Verdammt alt.«
»Pass bloß auf.«
»Stimmt doch. Ich meine, das heißt, du bist achtzehn Jahre älter als
ich. Mannomann, Liam, du bist quasi doppelt so alt wie ich. Du könntest mein
Vater sein.«
Es entstand ein kurzes Schweigen, und Dylan fürchtete schon, zu weit
gegangen zu sein. Doch dann grinste Liam nur breit.
»Vergiss es. Du bist viel zu hässlich, um mein Sohn sein zu können.«
Sie lachten, dann schwiegen sie wieder. Dann sah Dylan Liam an und
schnaubte.
»Achtunddreißig«, sagte er ungläubig und schüttelte den Kopf. »Fast
vierzig. Kein Wunder, dass du auf Oldies stehst, Mann. Du könntest echt mein
Vater sein. Ich glaube, ich nenne dich von jetzt an Dad.«
Diese letzte Bemerkung versetzte Liam einen Stich. Doch er schaffte
es, darüber hinwegzugehen. Gespielt wütend sah er Dylan an.
»Und ich
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