Das Rosenhaus
nickte.
Schweigend musterte er Dylan von Kopf bis Fuß, dann sagte er leise:
»Sie sind also mein neues Kindermädchen.«
»Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, wenn Sie möchten«, entgegnete
Dylan ruhig.
»Hat meine Frau Ihnen bereits genügend aufdringliche Fragen
gestellt, oder darf ich auch noch?«
Lily warf Dylan einen entschuldigenden Blick zu, doch er lächelte
beruhigend.
»Schießen Sie los«, forderte er Liam auf.
»Sind Sie Links- oder Rechtshänder?«
»Wieso?«
»Weil ich wissen möchte, ob Sie mir den Arsch mit links oder mit
rechts abputzen werden.«
Entsetzt riss Lily die Augen auf, doch Dylan ließ sich nur ganz kurz
aus dem Konzept bringen, bevor er die Schultern streckte und Liam direkt ansah.
»Ach, das ist mir eigentlich egal. Aber reinkriechen werde ich Ihnen
ganz sicher nicht.«
Liam erwiderte seinen provokativen Blick, dann fing er zum Glück an
zu lachen. Richtig herzhaft, sodass er sich den Bauch halten musste. Zum ersten
Mal, seit er aus dem Krankenhaus entlassen worden war.
»Sie kriechen also nicht jedem in den Arsch, ja? Freut mich zu
hören.«
Dann reichte Liam ihm seine linke Hand, und Dylan ergriff sie ohne
zu zögern.
Mit diesem Handschlag besiegelten sie, dass sie sich verstanden.
Liam lächelte.
Lily verspürte grenzenlose Erleichterung.
Liam mochte ihn.
Sie selbst hatte sich bereits für Dylan entschieden und in den
letzten Minuten Blut und Wasser geschwitzt, ob auch Liam ihn würde akzeptieren
können.
»Wann fangen Sie an? Also, vorausgesetzt, dass Sie bei uns anfangen möchten ?«
»Sie bestimmen.«
»So bald wie möglich«, lag ihnen beiden auf der Zunge, doch Lily
überließ es Liam, das auszusprechen.
12
P unkt halb
acht tauchte Dylan die nächsten zwei Wochen montags bis freitags im Rose
Cottage auf. Mit der gleichen Zuverlässigkeit war Lily jeden Morgen bereits in
der Küche anzutreffen, wo sie frischen Tee aufbrühte, den Dylan dann Liam
brachte. Nach dieser ersten Stärkung machten die beiden – Liam im Schlafanzug –
zwei Stunden Krankengymnastik, dann half Dylan Liam im Bad und beim Ankleiden.
Ganz gleich, welches Wetter herrschte – und es regnete häufiger als dass die
Sonne schien – unternahmen sie anschließend einen Spaziergang in den Ort. Sie
machten sich einen Spaß daraus, Liams Rollstuhl über die Schlaglöcher und
Steine des Pfades rumpeln zu lassen.
Das war die tägliche Vormittagsroutine.
Wenn sie zurückkamen, platzten sie in die Küche, um sich ein spätes
Frühstück zu gönnen. Ja, »platzen« war in Lilys Augen der richtige Ausdruck.
Wie eine Bombe. Dylan nannte das Beschäftigungstherapie. Doch Lily fragte sich,
wer hier eigentlich beschäftigt wurde.
Jetzt gerade jedenfalls, nach Liams jüngstem Versuch, ein komplettes
englisches Frühstück zuzubereiten, war sie damit
beschäftigt, die Küche wieder in einen akzeptablen Zustand zurückzuversetzen.
Überall standen schmutzige Pfannen und Töpfe herum, leere Schachteln und Dosen,
benutzte Teller und Besteck. Immerhin hatten es die leeren Teetassen auf mysteriöse
Weise bis zur Spüle geschafft. Die Luft war schwanger vom Geruch nach
gebratenem Speck, Würstchen und gebackenen Bohnen.
»Ich weiß ja, dass es gut fürs Selbstwertgefühl ist, zu wissen, dass
man für sich selbst kochen kann – ich staune nur, dass diese Therapie das
Aufräumen völlig ausblendet«, beklagte Lily sich, während sie den Spülstein
freiräumte und heißes Wasser einlaufen ließ.
Dylan sah sich kurz zu ihr um und lachte augenzwinkernd, als er Liam
zur Küche hinausschob.
Auch Liam drehte sich zu ihr um, lachte allerdings nicht. Er sah
Lily einfach nur an.
Sie fragte sich immer, was er wohl dachte, wenn er sie so ansah.
Sie lächelte, aber er wandte sich ab und rief dem blonden jungen
Mann hinter sich zu:
»Komm, Dyl, jetzt ist Denksport angesagt.«
Lily seufzte, war aber fest entschlossen, sich nicht die Laune
verderben zu lassen, und wandte sich wieder dem Abwasch zu. Die beiden Männer
verschwanden in Liams Arbeitszimmer.
Liam behauptete, sein Geist müsse genauso trainiert werden wie sein
Körper, und forderte Dylan darum zu endlosen Schachpartien heraus oder
bombardierte ihn mit Wissensfragen, um herauszufinden, wer von ihnen beiden
schlauer war.
Was sie jetzt an Gesprächsfetzen aufschnappte, drehte sich um Musik.
Das Gespräch, das Lily mit Dylan geführt hatte, wiederholte sich mit
Liam.
»Phil Collins ist ein Heiliger, obwohl mir sein letztes Album ein
bisschen zu soft
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