Das Rosenhaus
ich, oh, Mann, ich dreh gleich durch!«
»Das ist alles? Darum hast du mich gerufen?« Aus ihren weit
aufgerissenen Augen sprachen Sorge und Zorn. »Ich dachte, es sei etwas
passiert! Ich dachte, du hättest dir wehgetan!«
»Also, mein Ohr blutet, zählt das? Du weißt ja, dass ich diesen
Europopmist nicht ertrage.« Er zog eine Flunsch.
In dem Moment löste sich etwas in ihr, und sie konnte lachen. Sie
freute sich darüber, dass er sie um Hilfe gebeten hatte, und ganz besonders
freute sie, dass es sich dabei um so etwas Triviales handelte.
Lächelnd sah sie zu Dylan, der unglaublich selbstgefällig aus der
Wäsche guckte.
»Darf ich es ihm sagen?«
»Das bedeutet dann aber, dass er die Runde verloren hat. Liam?«
»Bitte, bitte, sag es mir, damit diese Gehörknöchelvergewaltigung
endlich ein Ende hat!«
»Das ist Whigfield.
Saturday Night.«
»Wer?«
»Sag bloß, du kannst dich nicht erinnern? Das haben sie doch 1994
rauf und runter gespielt, als wir noch jung genug waren, um auf Ibiza die
Nächte durchzufeiern.«
»Ach Scheiße, klar. Danke, Lily.«
»Gern geschehen.«
Kaum wandte sie den beiden wieder den Rücken zu, kabbelten sie sich
schon wieder wie Schuljungs.
»Das war ein Regelverstoß, Dylan.«
»Wie bitte? Und gegen welche Regel habe ich verstoßen?«
»Wir spielen hier ein Musik-Quiz, und der Lärm da ist ja wohl keine
Musik.«
»Okay, okay, dann lege ich etwas anderes auf.«
»Ach, du willst wieder zweimal hintereinander dran sein?«
»Du hast doch gerade gesagt, die letzte Nummer hätte nicht gezählt.
Nur, weil sie nicht aus deiner Epoche stammt.«
»Meiner Epoche ?«
»Ja, klar. Und der von Mozart.«
»Dir geht doch bloß der Arsch auf Grundeis, weil du verlierst.«
»Ach, Klappe, Dad.«
Um halb vier saßen die beiden immer noch im Arbeitszimmer.
Lily überlegte, endlich mal die Fenster zu putzen, staunte gleichzeitig
darüber, wie sie auf einmal zur Hausfrau mutiert war, und dann fiel ihr
entsetzt ein, dass sie vollkommen vergessen hatte, noch einmal zum Windenhaus
zu gehen, um ihre Schulden zu begleichen.
Vor Wochen hatte sie das Bild von dort mitgenommen, das jetzt in
Liams Zimmer hing.
Abi hatte es nie wieder erwähnt.
Lily streckte den Kopf zur Arbeitszimmertür herein und sah zu Dylan.
»Bleibst du noch lange?«
»Willst du mich loswerden?«
»Quatsch, ich wollte nur hören, ob ich schnell runter in den Ort
gehen könnte, bevor du abhaust.«
»Kein Problem … Ich gehe erst, wenn ich gewinne.«
»Na, dann wirst du ja noch ziemlich lange hierbleiben«, provozierte
Liam ihn.
Dann wandten sich die beiden wieder der Musik zu.
Lily zog sich Schuhe und Jacke an und trat hinaus in das
sonnige Wetter.
Das Dorf war wie verwandelt.
Die Sonne hatte ihm neues Leben eingehaucht. Nicht nur in Form
sprießender Pflanzen und zwitschernder Vögel, sondern auch in Form von
Menschen, die wie aus dem Winterschlaf erwachte Tiere aus ihren Häusern
gekrochen oder aus wärmeren Gefilden in den hiesigen Frühling zurückgekehrt
waren.
Sämtliche Geschäfte, die seit Lilys und Liams Ankunft saisonbedingt
geschlossen gewesen waren, hatten inzwischen ihre verstaubten Fensterläden und Pforten
geöffnet.
Schon von Weitem konnte Lily sehen und hören, dass im alten Inn
richtig was los war. Nicht nur die übliche Runde Einheimischer hatte sich dort
versammelt, sondern auch Tagesgäste, die bei dem schönen Wetter im T -Shirt
herumliefen, aber misstrauisch oder vernünftig genug waren, auch Regenjacken
bei sich zu haben.
Das letzte Stück zur Galerie hinunter ging Lily im Laufschritt.
Abi, die rotbraunen Locken mit einem Seidenschal zurückgebunden,
hatte einen Hammer in der Hand, um oben neue Gemälde aufzuhängen. Anna saß
hinter der Kasse und feilte sich die Fingernägel.
»Es tut mir so furchtbar leid …«, fiel Lily mit der Tür ins Haus.
»Ich habe ja total vergessen, das Bild zu bezahlen … Gott, ist mir das peinlich
… Jetzt habe ich aber Geld dabei … Neunzig Pfund, oder?«
Anna schüttelte den Kopf.
»Mrs. Hunter sagt, dass Sie können haben Bild für sechzig.« Das
Mädchen lächelte Lily merkwürdig an.
»Ach, das ist wirklich nett von ihr, aber das kann ich nicht
annehmen.«
»Sie darauf besteht.« Und damit wandte sie sich dem Kassenapparat zu
und tippte sechzig ein.
»Aber das kann ich nicht annehmen …«, versuchte Lily es noch einmal,
doch diesmal erhielt sie Widerrede von oben.
»Natürlich können Sie. Mitarbeiterrabatt.«
Lily wand sich.
»Mir ist
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