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Das Rosie-Projekt

Das Rosie-Projekt

Titel: Das Rosie-Projekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graeme Simsion
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Sieb zu erfassen.
    »Hilfe ist nicht nötig«, entgegnete ich. »Ich empfehle, in der Zwischenzeit ein Buch zu lesen.«
    Ich beobachtete, wie Rosie zum Bücherregal ging, kurz dessen Inhalt überflog und sich wieder abwandte. Vielleicht benutzte sie IBM -Software anstelle von Mac, obwohl viele der Handbücher für beide Systeme geeignet waren.
    Meine Hi-Fi-Anlage hat einen iPod-Dock, den ich benutze, um während des Kochens Podcasts abzuspielen. Rosie schloss ihr Handy an, und aus den Lautsprechern tönte Musik. Sie war nicht besonders laut, aber ich war sicher, dass, wenn ich bei jemandem zu Gast wäre und, ohne zu fragen, einen Podcast abspielte, man mir einen gesellschaftlichen Fehler vorwerfen würde. Ich war sogar
sehr
sicher, da ich genau diesen Fehler vor vier Jahren und siebenundsechzig Tagen bei einer Dinnerparty begangen hatte.
    Rosie setzte ihre Erkundung fort, wie ein Tier in einer neuen Umgebung, was sie natürlich auch war. Sie klappte die Jalousien auf und zog sie hoch, was Staub aufwirbelte. Ich bin beim Saubermachen sehr gründlich, aber es besteht keine Notwendigkeit, die Jalousien zu öffnen, so dass dort Staub an Stellen gelegen haben musste, die ohne diesen Vorgang nicht zu erreichen waren. Hinter den Jalousien befinden sich Türen, und Rosie löste die Verriegelung und öffnete sie.
    Ich fühlte mich sehr unwohl bei diesem ungefragten Eindringen in mein persönliches Umfeld. Als Rosie außer Sichtweite auf den Balkon trat, versuchte ich, mich auf die Essensvorbereitung zu konzentrieren. Ich konnte hören, wie sie die beiden großen Topfpflanzen verschob, die nach all den Jahren vermutlich abgestorben waren. Ich gab die Mischung aus Kräutern und Gemüse in die große Kasserolle, in der bereits Wasser mit Salz, Reisweinessig, Mirin, Orangenschale und Koriandersamen köchelte.
    »Ich weiß ja nicht, was Sie da kochen«, rief Rosie, »aber eigentlich bin ich Vegetarierin.«
    Vegetarierin! Das sagte sie jetzt, wo ich schon angefangen hatte zu kochen! Mit Zutaten, die ich unter der Annahme gekauft hatte, ich würde allein essen. Und was bedeutete »eigentlich« – legte es einen beschränkten Grad an Flexibilität nahe wie bei meiner Kollegin Esther, die unter eingehender Befragung zugab, sie würde Schweinefleisch essen, wenn es überlebensnotwendig wäre?
    Vegetarier und Veganer können ziemlich nerven. Gene erzählt gern diesen Witz: »Woran erkennt man einen Veganer? Warte einfach zehn Minuten, und er wird es dir brühwarm erzählen.« Wenn dem so wäre, wäre das ja kein großes Problem. Aber nein! Vegetarier erscheinen zum Essen und sagen dann: »Ich esse kein Fleisch.«
Das war schon das zweite Mal.
Vor sechs Jahren gab es das »Schweinefuß-Desaster«, nachdem Gene vorgeschlagen hatte, ich solle eine Frau zum Essen in meine Wohnung einladen. Er hatte argumentiert, meine Kochkünste werden mich begehrenswerter machen und ich müsse mich nicht dem Stress einer Restaurant-Umgebung aussetzen. »Und du kannst trinken, so viel du willst, und einfach ins Schlafzimmer torkeln.«
    Die Frau hieß Bethany, und in ihrem Internet-Profil stand nichts von Vegetarismus. Da mir bewusst war, dass die Qualität des Essens von entscheidender Bedeutung wäre, lieh ich mir ein neuveröffentlichtes Buch mit Rezepten »von der Schnauze bis zum Schwanz« aus der Bücherei aus und plante ein mehrgängiges Menü mit diversen tierischen Körperteilen: Hirn, Zunge, Gekröse, Bauchspeicheldrüse, Nieren usw.
    Bethany erschien pünktlich und schien sehr nett. Wir tranken ein Glas Wein, danach ging es bergab. Als Erstes servierte ich den gebratenen Schweinefuß, der sehr schwierig zuzubereiten gewesen war, und Bethany aß nur sehr wenig.
    »Ich steh nicht so auf Schweinefüße«, sagte sie. Das war nicht allzu abwegig: Wir haben alle unsere Vorlieben, und vielleicht machte sie sich Sorgen um Fett und Cholesterin. Doch als ich die folgenden Gänge ankündigte, erklärte sie plötzlich, sie sei Vegetarierin. Unglaublich!
    Sie bot an, mich zum Essen in ein Restaurant einzuladen, aber da ich so viel Zeit mit den Vorbereitungen verbracht hatte, wollte ich das Essen nicht einfach stehen lassen. Ich aß allein und sah Bethany nie wieder.
    Jetzt Rosie. In diesem Fall wäre es vielleicht gut, wenn Rosie ebenfalls ginge und das Leben wieder in geregelten Bahnen verliefe. Offensichtlich hatte sie ihren Fragebogen nicht ehrlich ausgefüllt, oder Gene war ein Irrtum unterlaufen. Vielleicht hatte er sie auch wegen ihrer erheblichen

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