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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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gehetzt.“
    „Trotzdem glaube ich, Ian und Lady Joanna würden es sehr begrüßen, wenn du die Nacht auf Walraven verbringst und morgen in einer Kutsche nach Greystone zurückreist.“
    „Also gut, ich bleibe“, gab Eloïse schließlich nach.
    Erleichtert nickte Victorian. „Und das Kostümfest?“, fragte er.
    Sie seufzte. „Wenn ich nicht tanzen muss und es etwas Anständiges zu essen gibt, dann auch das.“
    Victorian lächelte. Mit einem Mal freute er sich unbändig auf das Fest. Und vielleicht konnte er Eloïse im Laufe des Abends davon überzeugen, noch ein paar Tage länger in Walraven zu bleiben. Denn, erst jetzt wo sie hier war, merkte er, wie sehr sie ihm gefehlt hatte. Zufrieden öffnete er die Tür und wandte sich an den Diener, der vor dem Zimmer stand. „Bring uns etwas zu essen und zu trinken und dann geh und hol Manon!“
     
    Kaum hatte Eloïse das üppige Mahl am wärmenden Kaminfeuer verzehrt, öffnete sich die Tür des Zimmers und eine alte, freundlich aussehende Frau trat ein. Ohne einen Knicks ging sie direkt auf Victorian zu. „Du hast mich rufen lassen, Torin?“
    Victorian stand auf, und Eloïse erhob sich ebenfalls, überrascht über das formlose Verhalten der Frau, bis ihr einfiel, dass sie Victorians Amme sein musste, über die er im Gewächshaus gesprochen hatte.
    „Manon, das ist Eloïse of Coldhill“, erklärte Victorian. „Sie wird mich heute zum Fest begleiten und benötigt ein Kostüm. Kannst du das bewerkstelligen bis zum Abend?“
    Die grauhaarige Frau lächelte. „Das ist kein Problem“, antwortete sie ihm und blickte Eloïse an. „Torin hat viel von Euch erzählt, Mylady.“
    Eloïse errötete. „Ich will gar nicht wissen, was.“
    Manon legte ihr die Hand auf den Arm. „Würdet Ihr mir bitte gleich ins Nähzimmer folgen, Lady Eloïse? Auf dem Weg dorthin könnt Ihr mir erklären, welche Wünsche Ihr für Euer Kostüm habt.“
    Die beiden Frauen verließen Victorians Zimmer und liefen durch die breiten, hell erleuchteten Gänge des Schlosses.
    „Ich habe keine besonderen Vorstellungen für mein Kostüm“, kam Eloïse auf Manons Frage zurück. „Wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir einfach nur ...“
    „... Victorian zu gefallen?“, vollendete Manon ihren Satz mit einem Augenzwinkern. „Da habe ich eine hervorragende Idee!“
     
    Am frühen Abend klopfte es an der Tür zur Eloïses Gästezimmer, und Manon trat zu ihr in den Raum. In ihren Händen trug sie ein in ein Tuch eingeschlagenes Kleid und eine große Schachtel. Eloïse hatte keine Ahnung, wie ihr Kostüm aussehen würde. Manon und eine Schneiderin hatten sie am Nachmittag von Kopf bis Fuß vermessen, und danach hatte sie die Schneiderstube verlassen. Manon ließ ein Bad für sie vorbereiten und anschließend hatte es sich Eloïse in einem geliehenen Nachthemd im Bett gemütlich gemacht und gedöst. Victorian hatte sie seit ihrem ersten Gespräch nicht mehr gesehen.
    „Lady Eloïse“, sprach Manon sie an, „bevor ich Euch beim Ankleiden helfe, will ich Euch eine Geschichte erzählen.“ Die Amme wies zu den Sesseln am Kamin, und Eloïse nahm neugierig Platz.
    „Kennt Ihr die Sage vom Schneefräulein, Mylady?“, fragte Manon. „Sie ist in dieser Gegend sehr beliebt.“
    Als Eloïse verneinend den Kopf schüttelte, begann die alte Frau zu erzählen: „Obwohl wir an der Küste leben, ist der Winter hier sehr rau. Vor allem im Januar und Februar fällt viel Schnee, der oft bis März liegen bleibt. Einmal, vor langer Zeit, wollte der Winter überhaupt nicht mehr gehen. Die Menschen froren und litten entsetzliche Not. Ihre Vorräte waren aufgebraucht, und viele waren dem Hungertod nah. Da trat ein junges Mädchen aus dem Dorf vor den Winter. Sie war wunderschön, und sie bot dem Winter an, seine Frau zu werden, wenn er nur endlich das Land verlassen würde. Der Winter war von dem Liebreiz der Frau und ihrem Mut hingerissen und nahm sie mit in sein eisiges Reich, und sofort begann überall der Frühling.“ Manon lächelte. „Und seitdem wissen wir, dass der Winter immer wieder enden wird, weil er zurück nach Hause möchte zu seiner schönen Gemahlin.“
    Eloïse, die in die Geschichte versunken gewesen war, hob den Kopf. „Die junge Frau hat für das Wohl ihrer Mitmenschen alles aufgegeben“, sagte sie leise. „Ist sie selbst denn auch glücklich geworden?“
    „Ja, denn sie liebt den Winter aus vollem Herzen.“
    „Woher weiß man das?“
    „Weil sie es selbst gesagt hat“, antwortete

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