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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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sagte sie, als sie das Papier sinken ließ, „ob das gutgeht?“
    Die anderen sahen sie neugierig an, doch statt einer Antwort drückte Joanna Galad den Brief in die Hand, der ihn laut vorlas:
     
Joanna, ich habe Greystone heute Morgen verlassen und komme nach dem Neujahrsfest wieder zurück. Bitte, mach dir keine Sorgen, ich bin als Mann unterwegs und habe mir ein Pferd ausgeliehen. Eloïse
     
    Ian sprang auf. „Lange kann sie noch nicht weg sein“, erklärte er. „Ich nehme mir ein Pferd und finde sie.“
    Galad runzelte die Stirn. „Wo willst du sie suchen? Sie könnte überall sein.“
    „Ich werde sie schon aufspüren“, antwortete Ian. „Mach dir keine Gedanken, Joanna, wenn Eloïse sich verkleidet hat, ist sie recht sicher auf ihrer Reise.“
    „Über die Reise mache ich mir keine Gedanken“, erwiderte Joanna, „eher darüber, was sie erwartet, wenn sie ankommt.“
    „Du weißt, wo sie hin will?“, fragte Ian erstaunt.
    „Natürlich. Würde sie nach Hause reiten, hätte sie es geschrieben. Sie will zu Victorian.“
    „Aber warum?“, wollte Galad wissen.
    „Ich vermute, weil er sich nicht von ihr verabschiedet hat.“ Joanna lächelte. „Der Bote seines Vaters ist während des Prüfungsbanketts erschienen und hat ihn schnurstracks mitgenommen.“
    Jake lachte. „Ich hatte es befürchtet! Eloïses Erscheinen wird den Duke gar nicht freuen. Sie wäre eine absolut unstandesgemäße Verbindung für Victorian.“
    „Wieso kommt mir dieser Satz aus deinem Mund nur so bekannt vor, Jake?“, murmelte Ian.
    „Joanna, weißt du, wie Victorian zu Eloïse steht?“, erkundigte sich Galad.
    „Mit Korin war er gut befreundet, seine wahren Gefühle für Eloïse kann ich nicht einschätzen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Hoffentlich ahnt Eloïse, auf was sie sich da eingelassen hat.“
    „Soll ich ihr doch nachreiten?“, fragte Ian.
    „Nein, das wäre ihr bestimmt nicht recht.“ Joanna seufzte. „Aber machen wir uns auf alles gefasst, wenn sie aus Walraven zurückkommt.“
     

24
     
    Walraven, Jahreswechsel
     
    Eloïse ritt aus dem dichten Wald heraus und parierte ihr Pferd. Auf der Ebene vor ihr lag Walraven, stolz und mächtig, ein Abbild der hochrangigen Stellung seiner Besitzer. Die weiß gekalkten Mauern des Schlosses hoben sich strahlend vor der dunklen Küste ab. Eine Vorburg mit enormen Ausmaßen schützte das weitläufige Herrschaftshaus und die unzähligen Wirtschaftsgebäude und Stallungen. Fahnen mit dem Wappen von Walraven flatterten von den Türmen im Wind, und im Burghof liefen etliche Diener, Knechte und Mägde geschäftig umher. Es war ein stürmischer Tag, und der Nieselregen war mit Schnee vermischt. Die kalte, salzige Luft biss Eloïse ins Gesicht, und so gab sie ihrem Pferd die Zügel frei und trabte auf das Schloss zu. Doch je näher sie Walraven kam, desto mehr schwand ihr Mut. Auf der hohen Burgmauer konnte sie bewaffnete Soldaten erkennen, und vor dem schweren Eingangstor standen Wachmänner in Rüstung.
    Sie werden mich abweisen , dachte Eloïse verzagt. Ich werde niemals zu Victorian vorgelassen werden! Sie seufzte. Seit seinem Fortgang aus Greystone hatte sie täglich auf eine Nachricht von ihm gewartet, ein kurzes Schreiben, in dem er seine überstürzte Abreise erklärte. Aber kein Brief war gekommen. Um sich abzulenken, war sie Joanna zur Hand gegangen, hatte geholfen, den Festsaal für die Weihnachtsfeierlichkeiten zu schmücken und hatte zwischendrin immer wieder im Gewächshaus nach dem Rechten gesehen. Aber je mehr Zeit verging, desto unruhiger und unzufriedener wurde sie. Sie vermisste ihn! Es war, als fehle ein Teil von ihr. Zwar kümmerten sich Ian und Joanna rührend um sie, doch es war Victorian, den sie an ihrer Seite haben wollte.
    Schließlich hatte Eloïse es vorgestern nicht mehr ausgehalten und war heimlich in sein Zimmer geschlichen. Sie wusste nicht, was sie gehofft hatte zu finden, aber als sie schließlich in seinem Raum stand, war sie erstarrt: Das Zimmer war vollkommen leer. Alle seine persönlichen Habseligkeiten waren fort! Sie ahnte, was das zu bedeuten hatte, doch sie wollte es nicht hinnehmen. Sie war in ihr Zimmer gestürmt, hatte sich Korins Hemd und Hose angezogen, ihre Tasche gepackt und eine Notiz für Joanna hinterlassen. Dann war sie in den Stall gerannt, hatte ein Pferd gesattelt und war losgeritten. Und jetzt stand sie durchgefroren vor dem Burgtor von Walraven und musste den grimmig blickenden Wachsoldaten verständlich machen,

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