Das rote Band
warum sie dringend Seine Gnaden, den Sohn des Dukes, sprechen musste!
„Mylord, draußen im Gang steht ein Bote aus Greystone. Er sagt, Ihr hättet etwas in der Akademie vergessen.“ Der Diener räusperte sich. „Aber er will es Euch nur persönlich aushändigen.“
Verwundert sah Victorian von seinem Schreibtisch auf. Er vermisste nichts, jedenfalls keinen Gegenstand. „Ich habe nichts in Greystone liegengelassen, aber schick den Mann trotzdem herein.“ Er wandte sich wieder dem Brief zu, den er schrieb, während der Diener hinausging, um den Boten zu holen.
Kurz darauf öffnete sich die Tür seines Schreibzimmers erneut. „Der Bote, Mylord“, verkündete der Diener, verließ den Raum und schloss die Tür.
Victorian sah nicht von seinem Schreiben auf. „Was gibt es?“, fragte er gelangweilt.
„Guten Tag, Victorian.“
Victorian ließ seine Feder fallen und sprang von seinem Stuhl auf. „Eloïse!“, rief er ungläubig, und sein Herz begann schneller zu schlagen. „Was machst du hier? Mein Diener sagte, ich hätte etwas in der Akademie vergessen?“
„Allerdings!“, rief sie erbost. „Erstens hast du vergessen, deine Zwischenprüfung zu beenden, zweitens hast du nicht Bescheid gegeben, wie die Arbeit im Gewächshaus weitergehen soll, und drittens – hast du nicht ‚Auf Wiedersehen‘ gesagt!“
Er stöhnte. „Mein Vater hat meine sofortige Rückkehr verlangt aufgrund des Vorfalls mit den Söldnern. Ich … ich habe ihm Folge geleistet, bevor er auf die Idee kam, dem Earl of Greystone deswegen öffentlich zu schaden.“
„Wie edel und rücksichtsvoll von dir“, erwiderte sie zynisch. „Für eine Verabschiedung von mir war wohl keine Zeit mehr?“
Victorian knetete seine Finger. „Ich wollte dir einen Brief schreiben und alles erklären.“ Wenn ich den Mut dazu gefunden hätte …
„Die Prüfung liegt schon zwei Wochen zurück, und ich habe keine Nachricht von dir erhalten“, sagte sie bitter und stützte die Hände in die Taille. „Kommst du nach den Winterferien wieder in die Akademie zurück?“
„Nein“, antwortete Victorian. Jetzt konnte er die Wahrheit nicht länger vor ihr verbergen. „Eine Rückkehr nach Greystone liegt außerhalb des Möglichen. Mein Vater ...“
„Dein Vater pfeift – und du gehorchst!“, beendete Eloïse seinen Satz abfällig. „Hast du keine eigene Meinung?“
„Ich bin sein Sohn und Erbe des Titels“, rechtfertigte er sich. „Ich habe Pflichten und Erwartungen zu erfüllen.“
Herausfordernd sah sie ihn an. „Du bist ein erwachsener Mann und kannst freie Entscheidungen treffen!“
Victorian schüttelte den Kopf. „Eloïse, du verstehst das nicht.“
„Oh doch, ich verstehe sehr gut“, erwiderte sie traurig. „Es war ein Abschied für immer. Und du warst zu feige, mir das persönlich zu sagen. Oder ich war dir die Worte einfach nicht wert!“ Sie wandte sich enttäuscht zur Tür.
„Eloïse, warte!“ Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und holte sie ein. „Du hast recht. Einfach zu verschwinden, ohne dir etwas zu sagen, war nicht in Ordnung. Es tut mir leid.“
Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um.
„Bitte, geh nicht gleich wieder“, bat er. Seine Freude, sie wiederzusehen, war unermesslich, und er musste verhindern, dass sie ihn sofort wieder verließ. „Heute Abend findet ein Neujahrsfest in Walraven statt. Würdest du mich dorthin begleiten wollen?“
„Wie bitte?“ Sie sah ihn ungläubig an und deutete mit der Hand an sich herunter. „So?“
„Es ist ein Kostümfest“, erklärte er.
„Ach, und ich soll das Schlossgespenst sein?“
„Nein“, Victorian lächelte, „obwohl du schon eine ziemliche Heimsuchung bist.“
„Danke, nein. Ich muss zurück.“ Sie wollte sich abwenden, doch Victorian berührte sie am Arm und hielt sie sachte fest.
„Eloïse, ich lasse dich keinesfalls alleine nach Greystone zurückkehren. Das ist viel zu gefährlich“, gab er zu bedenken. „Außerdem musst du dich aufwärmen und hast bestimmt Hunger.“ Er betrachtete sie kritisch. „Wie bist du eigentlich hergekommen?“
„Geritten.“
„Pferde zu stehlen, wird bei dir langsam zur Gewohnheit“, stellte er fest.
„Ich habe Joanna geschrieben, dass sowohl ich als auch das Tier bald wieder zurück sein werden“, verteidigte sie ihr Vorgehen.
Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. „Und du meinst, damit ist sie einverstanden?“
„Ich denke schon, sonst hätte sie mir längst Ian auf den Hals
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