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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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Gemeinsam mit Jake trug er den jungen Mann in sein Zimmer und legte ihn aufs Bett. Joanna, die sie begleitet hatte, zog Victorian den Waffengürtel und die Stiefel aus.
    „So viel Fürsorge hat er heute nicht verdient, Joanna“, sagte Jake.
    „Das stimmt“, erwiderte Ian. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass Victorian dermaßen beleidigend sein kann.“
    „Victorian leidet“, erklärte Joanna. „Im Moment erinnert er mich an ein verwundetes Tier, das in seinem Schmerz jeden beißt, der ihm helfen will.“
    Skeptisch sahen die beiden Männer sie an.
    „Ich weiß, er hat sich furchtbar benommen“, fuhr sie fort. „Aber er besitzt mein ganzes Mitgefühl, weil er so verzweifelt ist.“
    „Eloïse verdient dein Mitgefühl, nicht er“, widersprach Jake. „Das arme Mädchen! Du solltest gleich zu ihr gehen und dich um sie kümmern.“
    „Das habe ich auch vor“, erwiderte Joanna, während sie sorgfältig die Decke über Victorian ausbreitete. „Aber sobald Victorian nüchtern ist, werde ich ein ernstes Wort mit ihm sprechen.“
    Jake und Ian wechselten einen verständnislosen Blick, bevor sie hinter Joanna das Zimmer verließen.
     
    Victorian erwachte. Sein Schädel dröhnte, und seine Zunge fühlte sich pelzig an, von dem widerlichen Geschmack in seinem Mund und seiner ausgedörrten Kehle gar nicht zu reden. Mühsam hob er die Augenlider und sah, dass auf dem Stuhl neben seinem Bett jemand saß. „Eloïse?“, fragte er benommen.
    „Damit Eloïse jemals wieder mit Euch spricht, müsst Ihr Euch schon etwas Besonderes einfallen lassen, Victorian. Ich bin Lord Greystone. Erkennt Ihr mich?“
    Victorian öffnete seine Augen ein Stück weiter. „Ah, der Earl gibt sich die Ehre.“
    „Ihr seid immer noch betrunken“, stellte der Earl vorwurfsvoll fest.
    „Na und?“ Er hatte nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an den vergangenen Abend, aber, wenn er ehrlich war, wollte er auch nichts Genaueres wissen.
    „Meine Güte!“ Der Earl sah ihn streng an. „Reißt Euch zusammen und werdet nüchtern.“
    Nüchtern sein, war das Letzte, was Victorian wollte. Er ahnte, dass er sich bei zu vielen Personen zu entschuldigen hatte.
    „Ein Benehmen wie gestern Abend werde ich nicht mehr dulden“, erklärte der Earl. „Wenn Ihr weitersaufen wollt, müsst Ihr Greystone verlassen.“
    „Ich zittere vor Furcht“, erwiderte Victorian ironisch.
    Kopfschüttelnd stand der Earl auf. „Was immer gebrochen sein mag, Victorian – Euer Herz oder Euer Stolz –, nehmt es wie ein Mann und stellt Euch dem Ganzen!“ Er verließ den Raum, und Victorian starrte ihm wütend hinterher.
    Der Earl hatte keine Ahnung! Amiras Fortgehen war die schlimmste Demütigung, die er je erfahren hatte. Jemanden wie ihn wies man einfach nicht zurück. Was würden Raine und die anderen über ihn spotten! Und auf Eloïses vorwurfsvolles Habe ich es dir nicht gleich gesagt? verspürte er auch keine Lust. Victorian hielt inne – Eloïse! Jetzt fiel es ihm wieder ein. Gestern Nachmittag hatte er ihr die Freundschaft gekündigt und gestern Abend … Stöhnend setzte er sich im Bett auf und schob die Beine über die Bettkante. Sofort fing sein Kopf an, wild zu pochen. Er wartete, bis der erste Schmerz vorbei war, dann stand er vorsichtig auf und ging zum Schreibtisch, wo der Weinkrug stand. Der Krug war leer, nur im Becher befand sich noch ein schaler Rest. Angewidert trank er ihn aus und schleuderte den Becher durch den Raum. Zum Teufel mit allem! In die Akademie zu gehen, war von Anfang an ein Fehler gewesen. Er hätte auf seinen Vater hören und gleich heiraten sollen. Dann wäre alles nicht passiert, und er würde nicht vor allen dastehen wie ein Trottel. Er zog seine Stiefel an, schnappte sich Geldbeutel und Waffengürtel, zog seinen Umhang über und verließ das Zimmer. Er brauchte mehr zu trinken und vor allem einen Ort, wo er seine Ruhe hatte. Wenn er sich richtig erinnerte, gab es im Dorf ein kleines Gasthaus. Vermutlich war es schmutzig und das Essen ungenießbar, aber Hauptsache, es gab genug Wein und Bier, um diese Niederlage hier zu vergessen.
     
    „Victorian, wach endlich auf!“
    Victorian vernahm die Stimme des Mannes wie durch einen Nebel. Er wusste nicht, seit wie vielen Tagen er im Gasthaus wohnte, er wusste nur, dass er durchgehend betrunken gewesen war. Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich, und eine Frau und ein weiterer Mann kamen herein, und die drei redeten miteinander. Die Frau kam zu seinem Bett und

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