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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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geboren“, antwortete sie schließlich.
    Ein zufriedenes Lächeln breitete sich in dem Gesicht der jungen Frau aus, und sie sah Joanna auffordernd an. „Erzählt uns mehr über ihn!“
    Für einen Moment zögerte Joanna, Onoras Bitte nachzukommen. Es missfiel ihr, mit ihren Studentinnen über Ian zu sprechen. Doch keinesfalls durfte der Verdacht aufkommen, es gäbe etwas über ihn zu verheimlichen. „Ians Vater empfindet keinerlei Zuneigung für seinen jüngeren Sohn und verstieß ihn gleich nach der Geburt. Ian verlebte seine Kindheit und Jugend in einem Bauerndorf nahe der väterlichen Burg. Vergangenes Frühjahr, als mein Bruder und ich in Darkwood zu Besuch waren, hat Ian uns nach einem Kutschenunfall geholfen, und mein Bruder hat ihn aus Dankbarkeit mit nach Greystone genommen. Ian besuchte den Unterricht in der Akademie und legte seine Prüfungen ab. Da er ein sehr guter Kämpfer ist und Erfahrung im Unterrichten besitzt, ernannte ihn mein Bruder trotz seiner Ehrlosigkeit zum Fechtmeister.“ Kaum hatte Joanna ihren Bericht beendet, schoss Onoras Hand erneut in die Höhe.
    „Dürfen wir beim Training in der Waffenhalle zuschauen?“, erkundigte sich die Studentin.
    „Ja, ab nächster Woche. Aber Ihr müsst einen Lehrer als Anstandsperson dabeihaben.“ Joanna atmete tief durch. Sie ahnte nur zu gut, welches Interesse sich hinter Onoras Frage verbarg. „Wenn Ihr möchtet, begleite ich Euch in die Waffenhalle“, bot sie an. So würde sie die Sache wenigstens im Blick behalten .
    „Nein, nein, Lady Joanna“, erwiderte Onora schnell. „Macht Euch keine Umstände.“ Sie zwinkerte Zelda zu. „Wir fragen Lord Lionsbridge.“
    Kichernd verließen die Studentinnen den Unterrichtsraum, und Joanna ließ sich auf ihren Stuhl fallen. Absolute Diskretion war die eine Sache, ihre Gefühle eine ganz andere …
     
    Am frühen Nachmittag stand Eloïse zusammen mit den anderen Studenten in der Waffenhalle. Ihr Herz klopfte, und zum wiederholten Male wischte sie sich ihre schweißnassen Hände an der Hose ab. Gleich würde sie sich im Schwertkampf beweisen müssen! Doch auch nach wochenlangem Training mit ihrem Bruder Korin empfand sie den Waffengürtel um ihre Hüften als Fremdkörper, und auch die Begeisterung der Männer dafür, mit einem Stück Metall aufeinander einzuschlagen, hatte sich ihr immer noch nicht erschlossen. Trotzdem durfte sie jetzt nicht versagen, niemand durfte merken, dass sie eine Frau war.
    „Ich bin äußerst gespannt auf unseren ehrlosen Fechtmeister“, hörte sie Raine hinter sich sagen. Der verwegen aussehende Student hatte als einer der Letzten die Waffenhalle betreten.
    „Mein Cousin Alex war letztes Jahr hier in der Akademie und kennt ihn“, erwiderte ein junger, rothaariger Mann namens Crispin. „Ian of Darkwood soll sehr gut sein, als Kämpfer und als Lehrer.“
    „Du brauchst den Fechtmeister nicht mit Familiennamen zu nennen“, erklärte Victorian Crispin. „Er besitzt keinen.“ Seine Stimme war dunkel, und ohne den herablassenden Tonfall hätte Eloïse sie als sehr angenehm empfunden.
    „Es ist absolut richtig, was Ihr sagt, Victorian.“ Ian war unbemerkt aus der Waffenkammer in die Halle getreten. „ Ian und du sind als Anrede vollkommen ausreichend.“
    Victorian bedachte ihn mit einem verächtlichen Blick, während Crispin Ian voll Begeisterung anstrahlte.
    „Wir beginnen das Ausbildungsjahr anders, als Ihr es wahrscheinlich erwartet“, erklärte Ian den Studenten. „Bitte nehmt auf den unteren Reihen der Tribüne Platz.“
    Verwundert setzten sich die jungen Männer auf die aus Stein gehauenen Stufen. „Er will uns doch hoffentlich keine Vorlesung halten?“, fragte Harper und ließ sich widerwillig nieder.
    „Ich werde nun einzeln gegen jeden von Euch kämpfen“, sagte Ian. „Von den Zuschauenden erwarte ich nach dem Kampf eine Einschätzung des jeweiligen Studenten.“
    „Wozu soll das gut sein?“, fragte Raine skeptisch.
    „Ihr gewinnt einen ersten Eindruck von Euren Mitstudenten und übt Euch in Beurteilungen“, antwortete Ian. „Wer möchte beginnen?“
    Sofort stand Crispin auf, zog sein Schwert und lief zu Ian auf die Kampffläche. Nach einem kurzen Schlagabtausch senkte Ian seine Waffe und lächelte. „Hat Alex mit Euch geübt, Crispin?“
    Crispin nickte. „Woher weißt du das?“
    „Einige Eurer Kombinationen kommen mir sehr vertraut vor.“ Er wandte sich an die Studenten auf der Tribüne. „Wie beurteilt Ihr Crispins

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