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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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kämpfen lernt.“
    Mit zusammengezogenen Brauen sah Victorian ihn an. „So einen Unsinn habe ich mir noch nie anhören müssen“, entgegnete er, und seine Augen schienen den Fechtmeister zu durchbohren.
    „Victorian“, sprach Ian weiter. „Solange ich eben nach den klassischen Regeln gekämpft habe, konntet Ihr mithalten, doch, als ich meinen Stil änderte, wart Ihr vollkommen überfordert. Ich hätte Euch jederzeit entwaffnen können.“
    Lautes Lachen erklang von der Tribüne. „Langsam gefällt mir unser Fechtmeister“, rief Raine und klatschte in die Hände. „Endlich jemand, der nicht vor dem Hochadel kuscht.“
    Ian warf ihm einen strengen Blick zu. „Was ich Victorian gesagt habe, gilt für Euch alle! Der Sinn eines Kampfes ist, ihn zu überleben, im besten Fall zu gewinnen. In den Adelsschulen scheint diese einfache Wahrheit mittlerweile in Vergessenheit geraten zu sein.“
    „Wie kannst du das beurteilen?“ Victorians Stimme war schneidend. „Schließlich hast du nie eine Adelsschule besucht. Oder irre ich mich da?“
    In der Waffenhalle wurde es still. Jeder kannte die Gerüchte, die sich um Ian rankten.
    „Ihr habt recht, Victorian“, erwiderte Ian. „Ein Schulbesuch war mir nicht erlaubt.“
    „Dann sprich nicht von Dingen, die außerhalb deiner Erfahrungen liegen!“ Victorian drehte sich um und nahm wieder auf der Tribüne Platz.
    Ian sah ihm kurz nach, bevor er den nächsten Studenten zur Kampfprobe aufrief.
    Der restliche Nachmittag in der Waffenhalle verlief ohne weitere Zwischenfälle, aber auch ohne rechte Begeisterung. Eloïse hatte von ihrem Bruder den Ablauf eines traditionellen Fechttrainings geschildert bekommen, aber bei Ian war es heute ganz anders gewesen. Ihr war sein Vorgehen entgegengekommen, doch, ob er sich selbst damit einen Gefallen getan hatte, wusste Eloïse nicht zu sagen.
    Bevor sie die Halle verließen, trat Ian vor die Studenten. „Jeden Abend der Woche, außer donnerstags, biete ich ein freies Training an. Es würde mich freuen, wenn viele von Euch die Gelegenheit zum zusätzlichen Üben nutzen würden. Wir beginnen gleich heute nach dem Abendessen.“
    Murmelnd verließen die Studenten die Waffenhalle, und Eloïse wollte sich ihnen anschließen, als sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter spürte.
    „Korin“, hielt Ian sie zurück, „das Abendtraining ist freiwillig, aber von Euch erwarte ich, dass Ihr kommt, sonst werdet Ihr es nicht schaffen.“
    Eloïse stöhnte, und Ian klopfte ihr zur Aufmunterung kräftig auf den Rücken, was sie erneut aufstöhnen ließ.
     
    „Du hast Victorian of Walraven gesagt, er könne nicht kämpfen?!“ Ungläubig schaute Jake Ian an, als sie nach dem Abendessen mit Joanna und Galad zusammen in der Bibliothek standen. „Das darf nicht wahr sein!“
    „Natürlich kann er sehr gut fechten, aber einen echten Kampf würde er nicht überstehen“, erwiderte Ian gereizt.
    „Verdammt, Ian, er ist der Sohn eines Dukes!“, rief Jake. „Er wird niemals in einen echten Kampf verwickelt werden, dafür sorgt sein Vater schon. Victorian wird immer mit einer Leibwache unterwegs sein, wenn er reist.“
    „Trotzdem ist es besser, wenn er sich selbst verteidigen kann“, beharrte Ian ärgerlich. Sein erster Tag als Fechtmeister war noch nicht einmal vorbei, und Jake kritisierte ihn bereits!
    „Nur weil du im Tagelöhnerhaus gelebt hast, muss das nicht heißen, dass jeder andere es auch tun wird.“ Jake schlug mit der Hand auf die Schreibtischplatte. „Ich will das Wohlwollen des Dukes nicht verlieren, es ist eine einzigartige Auszeichnung für die Akademie! Zerstör sie nicht, nur weil du nicht weißt, wie du dich in Adelskreisen zu benehmen hast.“
    „Keine Sorge, Jake“, antwortete Ian mit dem letzten Rest an Beherrschung, den er aufbringen konnte. „Ich werde deinen Goldjungen nur noch mit Samthandschuhen anfassen.“ Er schnaubte. „Armer Victorian, bekommt immer nur Honig um den Mund geschmiert und merkt es vermutlich nicht einmal. Aber ab einem bestimmten Grad von Reichtum ist das wahrscheinlich egal.“ Er drehte sich zu Joanna, die unglücklich zwischen ihm und ihrem Bruder hin und her sah, und küsste sie auf die Wange. „Ich muss zum freien Training in die Waffenhalle. Wir sehen uns heute Nacht.“ Dann nickte er Galad kurz zu, verließ die Bibliothek und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
     
    Eloïse stand in der Mitte der Waffenhalle und Ian stand dicht hinter ihr. Er legte von hinten seine Arme um sie

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