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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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Piken, Äxte, Bauernprügel ...“
    „Das typische Waffenarsenal eines ehrlosen Kämpfers“, unterbrach Victorians sarkastische Stimme Ians Aufzählung. „Und alle rennen trunken vor Freude darauf zu. Q ualisrex, talis grex .“ Angewidert verzog er das Gesicht. „Erwarte nicht, dass ich bei diesem Unfug mitmache, Fechtmeister!“ Er drehte sich um und ging aus der Halle.
    „ Seine Gnaden zeigt sich heute wieder von seiner charmantesten Seite”, sagte Raine und ergriff eine Streitaxt.
    „Aber wir lassen uns von ihm den Spaß nicht verderben“, erwiderte Harper und schnappte sich einen Bauernprügel. „So einen Holzstecken wollte ich schon lange Mal in der Hand halten. Los, Ian, kämpf mit mir!“
     
    Nachdem die Studenten zum Mittagessen gegangen waren, nahm Eloïse neben Ian Platz, der gedankenverloren auf der Tribüne saß.
    „Ian, ich möchte mich für Victorians Benehmen vorhin entschuldigen“, erklärte sie.
    Er sah sie überrascht an. „Das brauchst du nicht zu tun.“
    „Doch, denn sein Verhalten ärgert mich. Victorian kann so nett sein! Wenn wir alleine sind, ist er ein ganz anderer Mensch.“ Eloïse kratzte sich am Kopf. „Wie heißt diese antike Gottheit, die mit den zwei Gesichtern …?“
    „Das darfst du mich nicht fragen“, knurrte Ian. „Ich bin nur der ungebildete Ehrlose in dieser Burg.“
    „Rede nicht so einen Mist!“ Sie stieß ihm ihren Ellenbogen in die Seite. „Ah, ich weiß es wieder: Janus! Der Januskopf ist ein Zeichen für den Zwiespalt.“
    „Danke für die Belehrung“, erwiderte Ian mürrisch. „Allerdings sehe ich keinen Zusammenhang mit Victorian, außer, dass er sich aufführt wie ein Gott.“
    „Nein, ich denke, er ist nur sehr empfindsam“, widersprach Eloïse.
    „Empfindsam?! Das wäre die letzte Eigenschaft, die ich ihm zuschreiben würde.“ Ian sah sie mit zusammengezogenen Brauen an. „Was hat er vorhin eigentlich zu mir gesagt?“
    „Wie der König, so die Herde“, übersetzte sie widerwillig. „Damit meinte er, dass ...“
    „Ich kann kein Latein, aber ich bin kein Dummkopf!“, erwiderte Ian. „Ich weiß, was Victorian zum Ausdruck bringen wollte.“ Abrupt stand er auf. „Damit wäre alles zu diesem Thema gesagt.“
    „Du trägst ihm aber seine Worte nicht nach?“, vergewisserte sich Eloïse besorgt.
    Ian schnaubte. „Wie könnte ich! Lord Greystone würde mich sofort vor die Tür setzen, wenn ich schon wieder das Missfallen des zukünftigen Dukes errege.“ Aufgebracht verließ er die Waffenhalle.
    Seufzend stützte Eloïse ihr Kinn auf ihre Hände. „Männer!“
     
    Es war weit nach Mitternacht, als Joanna über den dunklen Gang zu Ians Zimmer schlich. Er hatte versprochen, zu ihr zu kommen, doch er war nicht erschienen. Hatte er sie vergessen? Sie klopfte leise an, öffnete seine Zimmertür und huschte hinein. Eine fast heruntergebrannte Kerze stand auf Ians Nachttisch. Er selbst lag angezogen im Bett und schlief.
    Unter seinem Arm entdeckte Joanna ein dickes Buch. Sie ging zu ihm und zog den Folianten vorsichtig unter seinem Ellenbogen hervor. Voll Verwunderung stellte sie fest, dass es eine Lateinfibel war. Kopfschüttelnd legte sie den schweren Band auf den Nachttisch. Eigentlich hätte sie es freuen sollen, dass Ian scheinbar plante, eine der alten Sprachen zu erlernen. Denn dafür hatte die Zeit weder bei Charlotte in Darkwood noch bei Galads Einzelunterricht hier in Greystone gereicht. Doch im Moment hatte er überhaupt gar keinen Freiraum, sich so einem anspruchsvollen Vorhaben zu widmen! Sie kniete sich neben das Bett und fuhr sanft über sein Gesicht.
    „Wem willst du jetzt wieder etwas beweisen?“, fragte Joanna traurig. Sie legte die Decke über ihn, blies die Kerze aus und ging aus seinem Zimmer.
     

13
     
    September
     
    Schwatzend verließen die letzten Studentinnen zusammen mit Joanna die Waffenhalle, und Ian rieb sich mit der Hand über die Stirn. In gewisser Weise war das Training mit den Frauen anstrengender als das mit den Männern. Während die Damen, wenn sie mit Joanna kämpften, sich recht geschickt anstellten, erlitten sie in seiner Nähe ständig unerklärliche Schwächeanfälle. Oft ließen sie sich einfach fallen, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als sie aufzufangen. Meist reichte ein resoluter Blick von Joanna aus, die jungen Frauen wieder zur Vernunft zu bringen. Und auch sein Hinweis, bei Unwohlsein die Waffenhalle sofort zu verlassen, zeigte rasch Wirkung. Trotzdem wusste er aus den

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