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Das rote Band

Das rote Band

Titel: Das rote Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dana Graham
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„Wir zwei sehen uns so gut wie nie.“
    „Nie?“ Empört richtete sich Joanna auf. „Wir sehen uns jede Nacht! Zählt das nicht für dich?“
    „Doch, aber es ist mir zu wenig!“, brach es aus Ian heraus. „Joanna, ich teile dein Bett, aber ich teile nicht dein Leben! Ich bin wie ein Schatten, und das reicht mir nicht.“
    Joanna sprang auf, lief zu ihm und schlang ihre Arme um ihn. „Ich liebe dich, und ich vermisse dich in jeder Stunde, in der du nicht bei mir bist“, flüsterte sie. „Aber was sollen wir tun?“
    „Ich weiß es nicht“, gab er zu. „Warten ... aber langsam halte ich es nicht mehr aus. Meine Ehrlosigkeit kann ich halbwegs ertragen, aber nicht den Umstand, dich meiden zu müssen!“
    „Es waren vier anstrengende und aufreibende erste Wochen“, erwiderte sie und strich über sein Gesicht. „Du hast viel gearbeitet und bist abgespannt.“
    Ian atmete tief durch. Joanna hatte recht. Seine Tage waren vollkommen ausgefüllt, und die Aufgaben wurden nicht weniger, sondern mehr. Die meiste Zeit nahm der Kampfunterricht in Anspruch, den er den Studenten und Studentinnen erteilte sowie sein Training mit Galad, Joanna und den Soldaten der Burgwache. Außerdem unterstützte er Jake mehrmals in der Woche bei dessen praktischen Unterweisungen. Am Samstagmorgen fand der Waldlauf statt, den Nachmittag verbrachte er im Dorf und unterrichtete die jungen Männer dort im Schwertkampf. Sie hatten ihn während des Besuchs der Schmiede darum gebeten, und er hatte gerne zugesagt. Der Samstagabend war festlichen Veranstaltungen vorbehalten: Bankette, Tanz und Konzerte. Anfangs war er unsicher gewesen, ob es ratsam war, diese Geselligkeiten zu besuchen, doch Galad hielt es für ein falsches Zeichen, die Feiern aufgrund seiner Ehrlosigkeit zu meiden. Nach dem Kirchgang am Sonntag verbrachte er den Nachmittag am Schreibtisch, um seine Korrespondenz zu erledigen. Charlotte schrieb wöchentlich, und auch mit Laurentin, Alex und Philipp stand er in regem Briefwechsel. Abends saß er dann mit Jake, Galad und Joanna in der Bibliothek zusammen, um die weiteren Belange der Akademie zu besprechen. Wenn noch Vertretungsunterricht hinzukam, wurde die Zeit oft so knapp, dass er das Essen ausfallen lassen musste, um alle seine Verpflichtungen einhalten zu können.
    „Lass uns schlafen gehen“, raunte er Joanna ins Ohr und zog sie zum Bett. Dieser Punkt machte die Sache auch nicht besser: Seit er die Nächte bei Joanna verbrachte, schlief er weniger als früher. Allerdings störte ihn das am wenigsten.
     
    Am nächsten Morgen saß Ian mit Connor und zwei anderen Soldaten beim Frühstück und beobachtete Jake, der in einiger Entfernung mit dem Earl of Ranland durch die Halle schritt. Ranland war einer der Gründer der Akademie und seit gestern Abend zu Besuch in der Burg. Nun blieb Ranland plötzlich mitten im Saal stehen und wies mit dem Zeigefinger auf ihn.
    „Das ist der Ehrlose, oder?“, hörte Ian ihn laut fragen.
    Jake, dem die Frage galt, nickte. „Ja, das ist Ian.“
    „Es ist sehr nobel von Euch, Lord Greystone, dem missratenen Sohn des Barons of Darkwood in Eurer Burg Unterschlupf zu gewähren“, erklärte Ranland.
    „Ronen of Darkwood ist ein guter Freund von mir“, erwiderte Jake.
    „Verstehe.“ Ranland sah Jake mitleidig an. „Wie ist seine Leistung als Fechtmeister?“
    „Zufriedenstellend.“ Jake zuckte mit den Schultern. „Natürlich muss ich ständig ein Auge auf ihn haben und ihn anleiten.“
    „Gut. Ihr genießt in dieser Sache das vollste Vertrauen der Gründungsmitglieder, Lord Greystone. Die Ausbildung der Studenten darf keinesfalls seinetwegen Schaden nehmen.“
    „Seid ohne Sorge, Mylord. Ich lasse ihm keine Versäumnisse durchgehen.“ Jake deutete zur Tür. „Lord Lionsbridge erwartet uns in der Bibliothek. Wenn Ihr schon vorgehen möchtet, Lord Ranland, ich werde Euch gleich folgen.“
    Der Earl of Ranland verließ die Halle, und Jake kam zu Ian an den Tisch.
    Ians Miene verfinsterte sich. „Hallo, Jake, bist du gekommen, um ein Auge auf mich zu haben oder um mich anzuleiten?“
    „Weder noch.“ Jake schien es nicht zu berühren, dass Ian die Worte zwischen ihm und Ranland mitgehört hatte. „Ich will dir lediglich mitteilen, dass Galad nächste Woche nicht in Greystone sein wird, und du seinen Unterricht übernimmst. Am Donnerstag und Freitag wird auch Lord Tennison nicht da sein, seine Stunden vertrittst du ebenfalls.“
    „Wie bitte?!“, rief Ian aufgebracht. „Wer

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