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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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einen Graben werfen. Wofür hast du so einen Sarg verdient? Das ist ein würdiger Sarg für einen Helden des Widerstandskampfes!»- «Was für ein Held?» fragte der alte Mann. «Die Ehefrau des Kommandanten Yu, der jetzt Anführer der Eisengesellschaft ist.» - «Weh mir, weh mir, das können Himmel und Erde nicht zulassen. Das können sie nicht zulassen ! Keine Frau wird in meinem letzten Zuhause schlafen. Eher bringe ich mich um.»
    Vornübergeneigt stürzte er sich auf den Sarg und schlug mit hohlem Dröhnen mit dem Kopf auf. Vater sah, wie der hagere Hals sich in den Brustkorb zog und der flache Kopf sich zwischen den knochigen Schultern vergrub. Noch immer sah er die weißen Haarbüschel in den Nüstern des alten Mannes und das schüttere Ziegenbärtchen auf seinem vorspringenden Kinn vor sich. Sosehr er den plötzlichen Blitz wachen Bewusstseins, der seine dunklen Gedanken vertrieb, mit einem anderen Menschen teilen wollte - schon der erste Blick auf Großvaters verschlossenes Gesicht schreckte ihn davon ab.
    Großvater trug den verletzten Arm in einer schwarzen Tuchschlinge. Das hagere Gesicht war von tiefen Erschöpfungsfalten durchzogen. Der Anführer des Reitertrupps, der mit den langen, dünnen Augenbrauen, kam von den Pferden und fragte ihn etwas. Vater, der vor dem kleinen Schuppen stand, in dem er die Nacht verbracht hatte, hörte, wie Großvater sagte: «Du brauchst mich nicht um Erlaubnis zu bitten, Wuluan. Kümmere du dich drum.»
    Vater sah, wie Großvater Wuluan bedeutungsschwer in die Augen sah und wie der verständnisvoll nickte, sich umdrehte und zu den Pferden zurückging.
    Im gleichen Augenblick tauchte Schwarzauge aus einem der anderen Schuppen auf und verstellte Wuluan breitbeinig den Weg. «Was zum Teufel hast du vor?» fragte er ärgerlich.
    «Ich werde berittene Wachposten aufstellen», sagte Wuluan mit finsterer Miene.
    «Ich habe keinen Befehl dazu erteilt!»
    «Nein, hast du nicht.»
    Großvater trat dazu und sagte mit einem schiefen Lächeln: «Schwarzauge, willst du dich wirklich gegen mich stellen?»
    «Tu doch, was du willst»», sagte Schwarzauge. «Ich habe ja nur gefragt.»»
    Großvater klopfte Schwarzauge mit der gesunden Hand auf die breite runde Schulter und sagte: «Dich geht dieses Begräbnis schließlich auch etwas an. Was zwischen uns beiden ist, können wir später bereinigen. Einverstanden?»
    Schwarzauge antwortete nicht. Er zuckte nur mit der Schulter, auf die Großvater geklopft hatte, und brüllte die Leute rund um die Dorfmauer wütend an: «Drängelt nicht so! Und was ist mit euch Frauen da drüben, werdet ihr nun Hanftücher tragen oder nicht?»»
    Wuluan, der unter einer Weide stand, an die er sein Pferd gebunden hatte, zog plötzlich eine Messingpfeife aus der Hemdbrust und blies dreimal hinein. Fünfzig Soldaten der Eisengesellschaft krochen aus den Zelten neben dem Weidenhain und rannten zu ihren Pferden, die aufgeregt wieherten. Weiße Narben in der Rinde der verwachsenen Bäume ließen erkennen, wo die Pferde an ihnen genagt hatten. Die fünfzig Soldaten bildeten eine Elitetruppe und waren mit hervorragenden leichten Waffen ausgerüstet. In der Hand hielten sie rasiermesserscharfe Säbel, und auf dem Rücken trugen sie japanische Gewehre. Wuluan und fünf seiner kräftigsten Männer hatten russische Maschinenpistolen mit luftgekühltem Lauf um den Hals. Sie stiegen auf, schlossen die Reihen und bildeten zwei Marschsäulen. Die Pferde trabten aus dem Dorf und auf die Straße, die zur Brücke am Schwarzwasserfluß führte. Das Haar über den Hufen wehte im Morgenwind, silbernes Licht spiegelte sich in den glänzenden Hufeisen. Die glatten, abgetragenen Sättel bewegten sich im Rhythmus der Bewegung. Wuluan ritt auf einem gescheckten Hengst an der Spitze des Trupps. Vater hörte den donnernden Lärm der Hufe, dann sah er, wie die Pferde wie eine dunkle Wolke über die glatte schwarze Erde galoppierten und in der Ferne verschwanden.
    Der Zeremonienmeister in seiner traditionellen Robe und der klassischen Jacke glich einem taoistischen Unsterblichen. Er stand auf einem Schemel und rief aus vollen Kräften: «Trommlerkorps !»
    Wie aus dem Nichts erschien ein Korps von Trommlern und Hornisten in schwarzen Uniformen und roten Kappen und formierte sich auf den Tribünen am Straßenrand. Die Tribünen aus Holz und Schilf waren zwischen fünf und sieben Metern hoch. Die Musiker quetschten sich durch die Menge, die sie wie Ameisen umgab, kletterten die wackligen

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