Das Rote Kornfeld
Gestank von verbranntem Lack, den Großmutters Sarg verströmte, verschmutzten die Luft und ließen seine Knie weich werden. Klebriger Schweiß bedeckte seinen Körper, aber sein Herz sandte Wellen von Kälte aus. Unter den klagenden Tönen der Musiker und dem goldenen Glanz ihrer Instrumente, unter der scheinbar zu Mumien erstarrten Menge der Zuschauer und unzähligen Paaren von aufgerissenen Augen sandten die empfindlichen weißen Seidenstränge in seiner Wirbelsäule schwache Signale aus, die so kalt waren wie Nachtfröste im März.
Großmutters verschrammter Sarg war ungemein hässlich. Vorne hoch aufragend, hinten niedrig mit einer geneigten Vorderkante, die scharf war wie eine Messerklinge, glich er einem gewaltigen wirrköpfigen Tier. Vater glaubte, er könne jeden Augenblick aufstehen und mit aufgerissenem Maul die schwarze Menge angreifen. Vor seinem inneren Auge blähte der Sarg sich auf wie eine Wolke, und Großmutters sterbliche Überreste, die in dickes Holz und roten Ziegelstaub gebettet waren, standen wieder auf. Sie hatte ihrer Gestalt im Leben erstaunlich ähnlich gesehen, als Großvater ihren grasbewachsenen Grabhügel am Schwarzwasserfluß öffnete und eine Schicht Hirsepflanzen nach der anderen beiseite schob. Das war das Bild, das Vater jetzt vor den Augen schwebte. So wie er nie imstande sein würde, den Anblick seiner Mutter zu vergessen, wie sie im Sterben zur roten Hirse aufblickte, sollte er auch den Anblick ihres Gesichts nicht vergessen, als sie ihn aus dem Grab ansah. Das neue, jugendfrische Phantasiegesicht, das hier aufstieg, verschwamm bald wieder in der Wärme des Frühlingswinds.
Während er seine komplizierten Pflichten als pietätvoller Sohn der Verstorbenen erfüllte, durchlebte er all diese Erfahrungen noch einmal. Der Zeremonienmeister, der im hellen Sonnenlicht nicht eben beeindruckend wirkte, gab den Befehl: «Hebt den Sarg auf!»
Die vierundsechzig Soldaten, die den großen Baldachin herbeigetragen hatten, stürzten sich wie ein Bienenschwarm auf den Sarg. «Hebt an!» riefen sie. Der Sarg ließ sich nicht bewegen, als sei er angewachsen. Sie umschwärmten ihn wie Ameisen ein totes Schwein. Großvater verjagte die Bremse und starrte die Männer, die hilflos um den Sarg herumstanden, voll Verachtung an. Er rief den Offizier zu sich und sagte: «Holt Tragriemen aus Stoff. Ohne die werdet ihr bis zum Sonnenaufgang mit dem Sarg kämpfen und ihn trotzdem nicht unter den Baldachin bringen.»
Der Offizier blickte Großvater voll Hochachtung an. Großvater wich seinem Blick aus und sah hinaus auf den Schwarzwasserfluß, der sich als breites Band durch die dunkle Ebene zog.
Vor dem Anwesen der Familie Qi in Jiao standen zwei Fahnenstangen, deren einst rote Farbe völlig abgeblättert war. Das alte verrottete Holz symbolisierte den gesellschaftlichen Status der Familie. Das Familienoberhaupt, ein Mitglied der Hanlin-Akademie unter den Qing-Kaisern, war tot, und die Söhne und Enkel, die an seinem guten und reichen Leben teilgenommen hatten, trafen die Vorbereitungen für eine prunkvolle Begräbniszeremonie. Alles war fertig, und dennoch zögerten sie, das Datum der Beerdigung bekanntzugeben. Der Sarg stand in einem Gebäude am hinteren Ende des weiträumigen Anwesens, und um ihn auf die Straße zu bringen, würde man ihn durch sieben enge Torwege tragen müssen. Die Direktoren von mehr als zehn Hochzeits- und Beerdigungsgesellschaften hatten den Sarg und die Örtlichkeiten des Anwesens besichtigt, und sie alle waren mit hängendem Kopf wieder gegangen, obwohl die Familie Qi eine erstaunlich hohe Bezahlung angeboten hatte.
Dann sprach sich die Neuigkeit bis zur Hochzeits- und Beerdigungsgesellschaft der Gemeinde Nordost-Gaomi herum. Ein Angebot von fünfhundert Silberdollar für einen Sargtransport stellte für Großvater und die anderen Träger eine beachtliche Versuchung dar und stürzte sie in große Verwirrung. Sie seufzten ihm nach wie eine verliebte junge Frau, der ein hübscher junger Mann einen verlockenden Blick zugeworfen hat, um dann seinen goldenen Angelhaken auszuwerfen.
Sie wandten sich an den stellvertretenden Direktor, den alten Cao, und erklärten in beschwörendem Tonfall, dieser Auftrag könne die Gemeinde Nordost-Gaomi und ihre Beerdigungsgesellschaft berühmt machen. Außerdem seien die fünfhundert Silberdollar, die es zu verdienen gab, ja auch nicht zu verachten. Der alte Cao hörte sie in seinem hölzernen Sessel sitzend an und blieb so ruhig, dass er
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