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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Stichen vor dem Tor stehen sah. «Was kann ich für dich tun?»
    Heiser antwortete der alte Geng: «Ich will den Sekretär sprechen.»
    «Er ist zu einer Sitzung in der Kommune gegangen»», sagte die Frau freundlich und mitfühlend.
    «Lass mich rein», sagte er mit schwacher Stimme. «Ich will ihn fragen, mit welchem Recht er mir die Fünf Garantien entzogen hat. Die Japaner haben achtzehnmal mit dem Bajonett zugestoßen, aber sie haben mich nicht umgebracht. Habe ich das alles durchgemacht, nur damit er mich jetzt verhungern lässt?»
    «Meister Geng», sagte die Frau verlegen, «er ist wirklich nicht zu Hause. Er ist früh am Morgen zu einer Sitzung in die Kommune gegangen. Wenn du Hunger hast, komm rein und iss etwas. Wir haben selber nichts Richtiges. Aber Süßkartoffelplätzchen kannst du haben, so viele du willst.»
    «Süßkartoffelplätzchen?» fragte er mit eisiger Stimme. «Nicht einmal euer Hund frisst Süßkartoffelplätzchen.»
    Allmählich verlor die Frau die Geduld. «Wenn du nicht willst, brauchst du sie ja nicht zu essen. Er ist nicht zu Hause. Er ist in einer Sitzung in der Kommune. Such ihn dort, wenn du willst.»»
    Sie zog den Kopf zurück und warf die Tür zu. Er hob den Stock und schlug noch ein paar Mal ans Tor, aber er war so schwach, dass er fast zu Boden gefallen wäre. Mit schlurfendem Schritt schlich er sich durch den Tiefschnee und murmelte vor sich hin: «Geh zur Kommune ... geh zur Kommune ... verklagen werd ich den kleinen Schweinehund ... verklagen, weil er anständige Leute unterdrückt ... verklagen, weil er meine Getreideration unterschlägt.» Er schlurfte mit den Füßen wie eine lahme Ente und hinterließ zwei Reihen abwechselnd tiefer und flacher Fußabdrücke im Schnee. Noch weit vom Haus des Sekretärs entfernt konnte er den zarten Duft der Winterpflaume im Schneefall riechen. Er hielt an und drehte sich um. Dann spuckte er in Richtung des glänzendschwarzen Tors. Unter den Schneeflocken wehten die roten Blüten wie knisternde Flammenzungen.
    Er erreichte die Kommune kurz vor der Abenddämmerung. Die Stahlstangen des gewaltigen Tors waren so dick wie sein Daumen und trugen scharfe Spitzen. Nicht einmal ein gesunder junger Mann hätte darüberklettern können. Durch die Zwischenräume konnte er sehen, dass der Schnee im Hof der Kommune schwarz und schmutzig war. Leute mit neuen Kleidern und neuen Mützen, mit großen Köpfen, fleischigen Ohren und fettigen Mündern liefen auf und ab. Ein paar davon trugen abgesengte Schweineköpfe mit blutroten spitzen Ohren, andre silbrig glänzende Bandfische und wieder andere frisch geschlachtete Hühner und Enten. Er schlug mit dem Drachenknaufstock gegen die Metallstangen, so dass sie laut dröhnten. Aber die Leute drinnen waren zu beschäftigt, um ihm mehr als einen kalten Blick zuzuwerfen. Zornig und mit tränenerstickter Stimme rief er: «Chef ».. Anführer ... man raubt mir mein Recht ... ich bin am Verhungern ...»
    Ein junger Mann mit drei Füllfederhaltern in der Jackentasche kam ans Tor und fragte kühl : «Was gibt es, Alter? Was soll der Lärm?»»
    Beim Anblick der vielen Füllfederhalter nahm er an, er habe die Aufmerksamkeit eines wichtigen Beamten auf sich gezogen. Er kniete im Schnee nieder, hielt sich an zwei Metallstangen fest und klagte unter Tränen: «Großer Anführer, der Zweigsekretär der Produktionsbrigade hat meine Getreideration zurückgehalten. Ich habe seit drei Tagen nichts gegessen. Ich bin am Verhungern. Achtzehn japanische Stiche haben mich nicht umgebracht, und jetzt soll ich verhungern ...»»
    «Aus welchem Dorf bist du?» fragte der junge Mann.
    «Kennst du mich nicht, großer Anführer?»» fragte er erstaunt. «Ich bin Geng mit den Achtzehn Stichen.»
    Der junge Mann lachte. «Woher soll ich wissen, dass du Geng mit den Achtzehn Stichen bist? Geh nach Hause und wende dich an deinen Brigadeführer. Die Organisationskader der Volkskommune sind in Ferien.»
    Er schlug lange gegen das Metallgitter, aber niemand kümmerte sich um ihn. Warmes gelbes Licht fiel aus den Fenstern, davor tanzten federleichte Schneeflocken. Irgendwo im Dorf hörte man Feuerwerk, und er erinnerte sich, dass es Zeit war, den Küchengott zur Berichterstattung in den Himmel zu schicken. Er wollte heimgehen, aber beim ersten Schritt fiel er kopfüber zu Boden, als hätte man ihm von hinten einen Stoß gegeben. Als sein Gesicht auf die Schneedecke fiel, fühlte sie sich unglaublich warm an und erinnerte ihn an den Busen seiner

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